Führt mit den Young Philadelphians sonnigen Soul mit Ornette Coleman zuammen: Gitarrist Marc Ribot.

Foto: Gerard Verschotten

Wien – Noch bevor er Mitte der 80er-Jahre mit seinem kantigen Gitarrenspiel maßgeblich an Tom Waits’ bis heute gültigem Sound mitbastelte, begleitete Marc Ribot live Soul-Größen wie Solomon Burke oder Wilson Pickett. Das Selbstverständnis als Soul Man ist ihm ebenso geblieben wie die Auffassung, dass zur Rock-Geschichte unbedingt auch Free-Jazzer wie Albert Ayler und Ornette Coleman zu zählen sind.

Colemans mystisches Improvisationssystem, Stichwort "Harmolodics", hat Ribot schon in der Vergangeheit für sich mit gehöriger Punk-Attitüde ausgelegt. In seinem Band-Projekt The Young Philadelphians, mit dem er am Montag am letzten Abend des heurigen Jazzfest Wien gastierte, führt er es nun mit den sonnigen Klängen des Philadelphia Soul zusammen.

Hinter dem Bandnamen verbergen sich mit Drummer G. Calvin Weston und dem hierzulande auch durch seine Zusammenarbeit mit Saxofonist Wolfgang Puschnig bestens bekannten Bassisten Jamaaladeen Tacuma zwei tatsächlich in Philadelphia beheimatete Veteranen aus Colemans Prime-Time-Ensemble. Beim Wien-Konzert bauen sie sofort nach dem Intro des angeheuerten Streicher-Trios mit hoher Pulsfrequenz gehörig Druck auf.

Marc Ribot & The Young Philadelphians im November 2015 live in Mailand.
aperitivo in concerto

Ribot, der mehr denn je wie ein sympathisch verrückter Gitarrenprofessor wirkt, fühlt sich in der Rolle des Rhythmusgitarristen, den Fuß am Wahwah-Pedal eingeparkt, sichtlich ebenso wohl wie beim Zitieren von samtenen, längst verinnerlichten Soul-Licks oder ruppigen Improvisationen. Die Streicher leitet er mit ausladenden Gesten, wie er sie wohl bestens von einem seiner zeitweiligen Arbeitgeber, John Zorn, kennt.

Ribot ist so nahe an den Soul- und Funkklängen dran, dass er seine Rolle als Gitarrenexzentriker nicht selten Mary Halvorson überlässt. Sein zeitweiliger Sprechgesang mag ironisch wirken, den Coverversionen nimmt es nichts an ihrer Schlagkraft.

Nebst Love Epidemic von The Tammps nimmt man sich mit Fly, Robin, Fly den Disco-Sound der deutschen Silver Convention vor, zum Feel-Good-Höhepunkt wird Van McCoys The Hustle. Es ist ein Fest, auch wenn Subtilitäten, wie sie auf dem aktuellen Album Live in Tokyo zu hören sind, einmal mehr im Hall des Arkadenhofs des Wiener Rathauses absaufen.

Gut geölte Funk-Maschine

Mit diesem Problem hat im zweiten Teil des Abends auch Snarky Puppy zu kämpfen. Zwar versteht sich das in Brooklyn beheimatete Jazz-Funk-Kollektiv um den Bassisten und Komponisten Michael League auf einen vielschichtigen Sound. Die neunköpfige Ausgabe, die in Wien zu sehen und hören ist, punktet mit Songs u.a. aus dem neuen Album Culcha Vulcha aber vor allem als gut geölte Funk-Maschine.

Dass die akustischen Verhältnisse die Interaktion auf der Bühne weiter hinten zum Gebolze verkommen lassen, stört zumindest die ersten Reihen nicht. Ob das ominöse Faltdach im Hof die Situation verbessert oder verschlimmert, konnte auch in diesem Jahr nicht geklärt werden. (Karl Gedlicka, 12.7.2016)