Milliarde aus Bankenabgabe fließt in Forschung und Bildungsinvestitionen.

Foto: Koppstraße II

Wien – Ein derartiges Gefeilsche wie am Dienstag gab es beim Ministerrat schon lang nicht mehr. In der Nacht vor der Regierungssitzung schienen die Verhandlungen über die Verwendung jener Milliarde Euro, die die Banken im Gegenzug für die deutliche Reduktion der Bankenabgabe abliefern müssen, bereits gescheitert.

Die Regierungsspitze wollte in der letzten Sitzung vor der Sommerpause aber offenbar unbedingt eine Einigung erzielen. Stundenlang wurden verschiedene Vorschläge durchgerechnet, Millionen von dem einen in den anderen Topf hin- und hergeschoben. Zum Schluss sorgte dann noch der ÖVP-Wunsch nach einer Entlastung der Bauern für Verzögerungen. Knapp vier Stunden nachdem SPÖ-Klubchef Andreas Schieder bereits verkündet hatte, man werde wohl noch ein oder zwei Wochen brauchen, konnten Kanzler Christian Kern (SPÖ) und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner aber schließlich doch noch eine Einigung verkünden.

Die Eckpunkte:

  • Banken Die Bankenabgabe wird wie berichtet ab 2017 deutlich reduziert – von aktuell 650 auf nur mehr 100 Millionen Euro. Als eine Art Abschlagszahlung müssen die Institute aber eine Milliarde Euro abliefern, die sie in bis zu vier Raten an den Finanzminister überweisen können.

  • Ganztagsbetreuung Der Großteil dieser Milliarde, nämlich 750 Millionen Euro, soll für den Ausbau von ganztägigen Schulformen und Betreuungsangeboten verwendet werden. Ausgeschüttet wird das Geld ab 2017 in vier Tranchen, wobei aber im Zuge des Finanzausgleichs erst die Details mit den Ländern, die teilweise für den Schulsektor verantwortlich sind, geklärt werden müssen.

    Das Ziel sei eine beinahe Verdoppelung der ganztägigen Betreuungsplätze bis 2025, sagte Kern. Konkret sollen 120.000 Plätze entstehen, sodass 2025 dann vier von zehn Schülern ganztägig betreut werden. Oder anders ausgedrückt: Jeder Schüler soll im Umkreis von 20 Kilometern eine Ganztagsschule haben.

Nicht nur klassische Ganztagsschulen

Der ÖVP war es vor allem wichtig, dass nicht nur klassische Ganztagsschulen, sondern alle Betreuungsmöglichkeiten am Nachmittag gefördert werden können, wie Mitterlehner sagte. Die Wahlfreiheit müsse gesichert bleiben. Aus ideologischen Gründen sei die ÖVP aber nicht mehr gegen Ganztagsbetreuung.

Da sich bildungsfernere Schichten Nachhilfe häufig nicht leisten könnten, sei der Ausbau des Ganztagssektors nicht nur ein pädagogischer Fortschritt, sondern auch ein sozialpolitisch wichtiges Signal, meinte Kern.

  • Fachhochschulen Zusätzlich 100 Millionen Euro kann Wissenschaftsminister Mitterlehner in den kommenden Jahren für die Fachhochschulen ausgeben. Rund 5.000 neue Studienplätze sollen so finanziert werden. Fließen werden die Mittel vor allem in die sogenannten MINT-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, wo es vonseiten der Industrie großen Bedarf nach Absolventen gibt.

  • Bildungsstiftung Geschrumpft ist im Laufe der Verhandlungen das Budget für die "Innovationsstiftung für Bildung". Sie wurde bereits im Vorjahr im Rahmen der Bildungsreform konzipiert und wird nun erstmals mit 50 Millionen Euro dotiert. Über diese Stiftung sollen innovative Projekte in Kindergärten, Schule oder auch Hochschulen finanziert werden. Vor allem die Digitalisierung des Unterrichts soll vorangetrieben werden.

  • Nationalstiftung Zusätzliche Mittel gibt es auch für die Nationalstiftung, wenn auch etwas weniger als noch am Montag kolportiert. Konkret bekommt die Stiftung, die derzeit vor allem über die Nationalbank finanziert wird, 100 Millionen Euro an frischen Mitteln. Der Grund der Malaise: Die Dividendenzahlungen der OeNB waren zuletzt wegen der Niedrigzinslandschaft gesunken, weshalb Forschungsratschef Hannes Androsch bereits vor einer Unterdotierung der Nationalstiftung gewarnt hat. Über sie wird vor allem Grundlagenforschung in Österreich unterstützt.

Noch einiges offen

Auch wenn es nun in zahlreichen Punkten eine Grundsatzeinigung gibt, stehen der Regierung beim Bildungsthema im Herbst weitere heikle Verhandlungen bevor. Nicht geklärt ist nämlich weiterhin, wie die strukturelle Lücke im Budget von Ministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) geschlossen werden soll.

Zur Erinnerung: Mit diesem Problem, das vor allem auf die Gehaltssteigerungen der Lehrer zurückgeht, kämpft das Ressort Jahr für Jahr. Allein heuer liegt sie bei einer halben Milliarde Euro. Da nun aber vereinbart wurde, die frischen Mittel für die Ganztagsbetreuung zweckzuwidmen, muss die Lücke anderweitig geschlossen werden.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der beim Ministerrat wegen einer Sitzung der EU-Finanzminister nicht teilnehmen konnte, wollte genau das verhindern. Er hatte deshalb dafür plädiert, die Bankenabschlagszahlung zur Bereinigung von Altlasten zu verwenden.

Aufschub für Bauern

Ebenfalls nur aufgeschoben ist das Agrarproblem von Rot-Schwarz. Auf Drängen des ÖVP-Bauernbundes wurde vereinbart, dass Landwirte ein Quartal lang keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Es handelt sich um eine Hilfe wegen der derzeit niedrigen Milchpreise. Allerdings: Spätestens bis 2019 müssen diese 170 Millionen Euro von den Bauern zurückgezahlt werden. Es gilt aber auch hier: Die Details gilt es erst zu klären. (Günther Oswald, 12.7.2016)