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Die Helfer arbeiteten an der Unglücksstelle die gesamte Nacht durch.

Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo

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Feuerwehrleute versuchten die verkeilten Waggons voneinander zu lösen und Passagiere zu befreien.

Foto: Reuters/Stringer

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Die Züge kollidierten auf einem eingleisigen Streckenabschnitt.

Foto: Italian Firefighter Press Office via AP

Den Helfern bot sich ein Bild der Verwüstung: Die vorderen Wagons der beiden Züge waren völlig zerstört und ineinander verkeilt; Trümmerteile lagen in einem Umkreis von Dutzenden von Metern verstreut in dem kleinen Olivenhain, in dem sich der Zusammenstoß ereignete. Beide Bahnen bestanden aus je vier Wagons; Luftaufnahmen zeigten, dass von einem Zug nur der hinterste Wagen halbwegs heil geblieben ist. "Es sieht aus, als wäre ein Flugzeug abgestürzt", schrieb der Bürgermeister der nahegelegenen Kleinstadt Corato, Massimo Mazzilli, auf seinem Facebook-Account. Von einer "grässlichen Szene" sprach im Fernsehen ein Polizist, der als einer der Ersten am Unglücksort angekommen war: "Ich habe viele Tote gesehen, Verletzte schrien, viele weinten. Es ist das Schlimmste, was ich in meinem Leben erlebt habe."

Bis zum späteren Nachmittag hatten die zahlreichen Retter insgesamt 27 Tote aus den beiden Zügen geborgen; 50 Verletzte wurden entweder in Ambulanzen oder Rettungshubschraubern in die umliegenden Spitäler gebracht oder gleich vor Ort in einem improvisierten Feldlazarett versorgt. Von den Verletzten sollen sich sieben in kritischem Zustand befinden; die Behörden riefen zu Blutspenden auf. Hunderte Personen standen in der Nacht auf Mittwoch Schlange, um Blut zu spenden. "Die Situation ist dramatisch", erklärte der Vizepräsident von Apulien, Antonio Nunziante, der Nachrichtenagentur Ansa. "Zum Glück funktioniert die Rettungsorganisation gut."

Grafik: APA

Mit hoher Geschwindigkeit

Der Frontalzusammenstoß hat sich kurz vor Mittag auf der Strecke Bari–Barletta zwischen den Ortschaften Corato und Ruvo di Puglia auf offenem Feld ereignet. Es handelt sich um eine einspurige Strecke, die aktuell auf zwei Spuren ausgebaut wird und täglich von rund 200 Zügen befahren wird. Die sind in der Regel gut besetzt, hauptsächlich mit Pendlern und Studenten, die in Bari arbeiten oder studieren. Wie viele Passagiere sich zum Zeitpunkt des Unglücks in den Bahnen befanden, war unklar. Laut Angaben der Behörden sind die Züge mit erheblicher Geschwindigkeit aufeinander zugerast. Der Zusammenstoß sei mit "ungeheurer Wucht" erfolgt, betonte Bürgermeister Massimo Mazzilli.

Die Unfallursache blieb zunächst unklar. Behördenvertreter wie Mazzilli schlossen menschliches Versagen nicht aus: "Es könnte sein, dass jemand ein falsches Kommando gegeben hat", so der Ortschef. Einer der beiden Züge soll an einem Bahnhof auf grünes Licht gewartet haben und dann auf die Strecke gefahren sein. "Wir werden nicht eher ruhen, ehe wir die Verantwortlichen für dieses Desaster gefunden haben werden", versprach Ministerpräsident Matteo Renzi den Angehörigen der Opfer. Die Staatsanwaltschaft der Region ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt. Die Blackbox der Züge soll den Ermittlern bei der Aufklärung der Katastrophe helfen.

Der schwerste Eisenbahnunfall in Italien seit 2009, als in Viareggio bei der Explosion eines Tankwagens 32 Menschen getötet wurden, wird die Diskussion über die hiesige Bahninfrastruktur neu befeuern. Der Süden fühlt sich von den staatlichen Eisenbahnen benachteiligt: Während in Mittel- und Norditalien in den vergangenen Jahren Dutzende von Milliarden Euro in den Ausbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes investiert worden waren, ist in Apulien mehr als die Hälfte der Eisenbahnstrecken nur einspurig ausgebaut. Hinzu kommt, dass die einspurigen Strecken teilweise nicht einmal mit einem Sicherheitssystem ausgerüstet sind, das die Züge automatisch stoppt. (Dominik Straub aus Rom, 12.7.2016)