Das kleine Münchner Streetwear-Label Cayler & Sons setzt in diesem Sommer ganz auf Schlapfen. Alexej Bazdarev hat sie in Miami fotografiert.

Foto: Alexej Bazdarev für Cayler & Sons

Die Adilette hat den Schlapfentrend losgetreten. Mittlerweile haben die unterschiedlichsten Anbieter wie das Münchener Label Cayler & Sons nachgezogen.

Foto: Alexej Bazdarev für Cayler & Sons

Schlapfen von Zign

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Sandale von Chloé, via Stylebop

Stylebop

Glitzer-Bast-Schlapfen von Humanic

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Schlapfen aus der Fenty-Kollektion von Rihanna für Puma

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Blumenschmuck plus Zehensteg, von Buffalo

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Trekking-Schlapfen von Teva

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Rock Stud-Sandale von Valentino, Bestseller bei Stylebop

Stylebop

Schlapfen von Hess Natur

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Silberne Schlapfen von Lika Mimika

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Eine fünfzig Kopf starke Model-Armada in Trekkingsandalen über Baumwollsocken kann nicht irren. Sie marschierte bei Prada über den Laufsteg. Vor nicht allzu langer Zeit wurde über die Träger von Socken und Sandalen noch die Nase gerümpft: Blasse Beine in beiger Baumwolle, darüber praktische Klettverschlüsse – so sah der Albtraum der Mode aus. Jetzt wurde die Spießeruniform von den Italienern gefeiert.

Die Qualitäten des offenen Klettschuhs mit der Gummisohle weiß nicht nur Miuccia Prada zu schätzen. Die Trekkingsandale ist bequem, verspricht Frischluftzufuhr von unten und taugt für Raftingtouren wie den Großstadtdschungel, davon sind mittlerweile viele überzeugt. Während der Präsentation des Wiener Labels Wendy & Jim anlässlich der Berliner Modewoche trugen die Models in der Galerie Crone weiße, blaue, gelbe Socken in Klettverschlussmodellen.

Das Comeback des verkannten Außenseiters hat System. In den letzten Jahren krochen Adilette und Birkenstockschlapfen aus der Badekabine und der Ökoecke. Es folgte der US-amerikanische Outdoor-Spezialist Teva. Die Modelle genossen in der Mode lange keinen sonderlich guten Ruf.

Ihre behäbigen Formen galten als unsexy, ihre Träger, Rentner in Ledersandalen und Bademeister in Gummischlapfen, wurden belächelt. Heute schwimmen die einstigen Outsider auf einer Welle des Erfolgs: Die billige Kunststoff-Adilette, 1972 für den sicheren Tritt im Schwimmbecken, der Duschkabine und der Sauna erfunden, kann mittlerweile wie eine Louis-Vuitton-Tasche mit einem Schriftzug personalisiert werden.

Lässigkeit und Nonchalance

Aber nicht nur das. Die früheren Außenseiter haben das Sandalenbusiness sichtbar belebt. Die High-Fashion-Unternehmen haben sich Lässigkeit und Nonchalance von Badeschlapfen und Trekkingsandalen abgeschaut. Und manchmal noch ein wenig mehr. Das Fußbett der Schlapfenmodelle Lenny, Gail und Holden von Isabel Marant kommt dem von Birkenstock verdächtig nah.

2012 hatte das französische Modehaus Céline einen Hybrid aus Pelz und Birkenstock auf den Markt gebracht. Der Schlapfen hatte schnell seinen Namen weg: Der "Furkenstock" war ein echtes It-Teil. Heute ist ein Ende der Bequemlichkeit noch nicht in Sicht. Es gibt Gesundheitslatschen bei Stella McCartney, Trekkingsandalen bei Chanel, Miu Miu schlägt perlenbesetzte Fellschlapfen für den Herbst vor, Gucci bedruckt Gummischlapfen mit Blumen, Insekten und Schmetterlingen.

Warum ausgerechnet das Sandalenbusiness von Orthopädie- und Trecking inspiriert wurde? Die Attraktivität des Sommerschuhs liegt auf der Hand. Kein Schuh ist sexyer, keiner zeigt so viel Haut wie er: Zehen, Ferse, Seitenrist dürfen bei der Sandale an die frische Luft. Wer sie trägt, muss blankziehen und einen Körperteil ins Licht rücken, der in Mitteleuropa in der Wintersaison ein Schattendasein fristet.

Nebenbei hat die Sandale eine lange Geschichte zu erzählen. Das älteste Exemplar soll über 10.000 Jahre alt sein, 1938 wurde ein historisches Bastmodell in den USA entdeckt. Seine Konstruktion unterscheidet sich nicht wesentlich von den Modellen heute.

Die Sandale ist überall auf der Welt zu Hause. Ihre Weltläufigkeit ist auch etymologisch nachvollziehbar: Schon die Römer kannten den Begriff "sandalium". In Italien, Frankreich, England, Griechenland wird der zehen- und fersenfreie Schuh Sandalo, Sandale, Sandal und Sandalion genannt.

"Die Sandale ist nicht nur europäisches Kulturgut, sondern ein globales Kleidungsstück, eine Art Urbekleidung", erklärt die Wiener Kostümhistorikerin Annemarie Bönsch. Fester Bestandteil des Schuhschranks ist sie aber noch nicht allzu lange: "Die Sandale kam erst in den 1920er-Jahren, als die Röcke kürzer wurden, in der Damenmode an", so Bönsch. Damals überschlugen sich Designer wie André Perugia mit Sandalen- und Sandalettenentwürfen. Viele von ihnen waren mehr Kunstobjekt als tragbarer Schuh.

"Die Sandale ist ein globales Kleidungsstück, eine Art Urbekleidung": Annemarie Bönsch, Kostümhistorikerin.
Foto: Annemarie Bönsch

Dass sich die Sandale in den letzten Jahren von Gesundheitslatschen und der Ästhetik orthopädischer Schuhe beeinflussen ließ, ist einem veränderten Körperbewusstsein und einem gesteigerten Bedürfnis nach Bequemlichkeit zu verdanken. Lange seien Schlapfen zu Hause oder im Urlaub getragen worden, heute sind sie "alltagstaugliche Begleiter", meint Philipp Roshan vom Streetwear-Label Cayler and Sons.

Vor einem Jahr debütierte das Münchener Unternehmen mit einer Schlapfenkollektion, bedruckt mit Hanfblättern oder Rosenblüten. Auch Rihanna hat gemeinsam mit Puma für ihre Fenty-Linie einen Schlapfen mit Kunstfell herausgebracht – in Rosa, Weiß und Schwarz.

Doch "bad taste" ist nicht jedermanns Sache. Die Wiederkehr von Kunststoffsandalen und Lederschlapfen polarisiert. "Trekkingsandalen einen den Spießer alter mit dem Spießer der neuen Schule", meint der deutsche Stilkritiker Bernhard Roetzel. "Dieselben Leute, die sich früher über den Opa mit ledernen Kreuzlatschen und Söckchen mokiert haben, radeln heute mit Teva-Trekkinglatschen oder Birkenstocksandalen zum Biosupermarkt."

Und Männerfüße in Sandalen? "Die Männersandale ist nie so recht in der Mode angekommen", meint Kostümhistorikerin Bönsch. Dabei wird es auch bleiben, wenn es nach Stilkritikern wie Roetzel geht: "Ein Herr trägt Schuhe – auch im Sommer. Und Sandalen sind nun mal nur Fragmente eines Schuhs." Roetzel plädiert stattdessen fürs Barfußlaufen im Garten und rät zu Alternativen wie Bootsschuhen, Leinensneakern oder Pennyloafern.

"Die Kombi aus Socken und Sandalen war schon immer der Lieblingssommerlook des deutschsprachigen Spießers": Bernhard Roetzel, Stilkritiker.
Foto: Erill Fritz

Dabei haben auch die Outsider modisch aufgerüstet. So manches Klettverschlussmodell von Teva, 1982 für Raftingtouren am Colorado River erfunden, ist heute bei Modeketten wie Weekday zu haben. Und auch Birkenstock kommt in die Gänge. Das deutsche Unternehmen verkündete 2015 Erlöse im "dramatisch dreistelligen Millionen-Euro-Bereich", so das Branchenblatt "Textilwirtschaft". Während der Berliner Modewoche hat das deutsche Unternehmen erstmals in der über 200-jährigen Firmengeschichte eine große Kampagne gelauncht.

Birkenstock neben Designerware

Dieser Erfolg ist auch den Concept-Stores zu verdanken. Im Berliner Shop Voo stehen ehemalige Outsider wie Birkenstock und Teva neben Designerware von Margiela, Comme des Garçons und Acne. Im Voo griffen viele Männer, "von Hippies bis zur modischen jungen Kundschaft", zu Trekkingsandalen, erklärt Kreativdirektor Herbert Hofmann. Er glaubt an die einst geschmähten Klassiker: "Von Birkenstock-Kopien von Designern zum fünffachen Preis halte ich nicht viel."

Hofmann ist sich sicher, dass hinsichtlich der Trekking-Ästhetik ein Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist: "Der Trend wird sich noch verstärken." Mit den Trekkingsandalen verhalte es sich ähnlich wie mit den Sneakern. Was bequem sei und beliebt werde, halte sich lange. Markus Strasser vom Concept-Store Park in der Wiener Mondscheingasse ist gegenüber dem Thema Trekking seit einiger Zeit aufgeschlossen. Genauso gern hat er aber schlichte Ledersandalen, "je weniger Bänder, desto hübscher."

Tatsächlich überlassen die Römersandalen den sportlichen Schlapfen und Trekkingsandalen nicht kampflos das Feld – ganz im Gegenteil. "Bei den Sandalen geht es wie in der Mode hin zum Schmückenden." Zierende Details gewännen an Bedeutung, meint Mario Eimuth vom Münchener Luxus-Online-Retailer Stylebop, so wie die Chloé-Sandalen mit Lederbändern in Regenbogenfarben oder die Rockstud-Sandalen mit den würfelformigen Nieten von Valentino, einem der Bestseller bei Stylebop.

Camilla Wamhser, Produktmanagerin bei der Leder & Schuh AG in Graz bestätigt die Begeisterung fürs Banderl: "Gerade sind Ghillies, Sandalen, deren Schnürung bis zum Knöchel oder bis zur Mitte der Wade reicht, angesagt." Populär gemacht haben sie Social Media Stars wie Kylie Jenner und Gigi Hadid.

Vielleicht ist aber auch alles anders. Jenner und Hadid posierten während des Unabhängigkeitstages in Badeanzug und Bikini. Untenherum: barfuß. (Anne Feldkamp, RONDO, 15.7.2016)