Feines Essen, eher nix für Laktose-Intolerante: Im neuen Lingenhel hat fast jeder Gang einen Nahebezug zu Milch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Höhepunkt zum Dessert: grandiose Ricotta, mit nichts als einer Nocke geräucherten Molkeeises und etwas Dill kombiniert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Projekt ist ebenso wagemutig wie charmant: Johannes Lingenhel, der bisher mit Partner Christian Pöhl das Nobelstandl Pöhl am Naschmarkt betrieben hatte, beschloss irgendwann, seine edlen Würste, Käse und Schinken fortan solo an den Mann und an die Frau zu bringen. Es sollte aber ein Geschäft mit Alleinstellungsmerkmal sein. Geworden ist es eines mit eigener Käserei, mitten in der Stadt.

Lingenhel baute ein Haus aufwändig um, versicherte sich der Unterstützung von Österreichs unumstrittenem Rohmilch-, Büffelmozzarella- und Weichkäseguru Robert Paget und richtete sich rund um die Käserei eine Delikatessenhandlung samt Restaurant ein. Und was für eine: Viel schwarzer Marmor und glassturzbewehrte Podeste für besonders exquisite Exponate lassen an den Flagship-Store eines Juweliers denken.

Auf Käse aus eigener Produktion muss man noch ein bisschen warten: Die sollte kommende Woche anlaufen und Ziegenfrischkäse, Camembert, Ricotta aber auch Büffelmozzarella abwerfen – Letztere aus Milch, die Lingenhel aus Italien herbeikarren lässt. Nachhaltig ist anders, im Idealfall aber wird der ganz frische Käse dann so toll, wie man das manchmal in Süditalien erleben darf. Mehr als zwei, vielleicht drei Kilo Mozzarella pro Tag, so Lingenhel, werde man ohnehin nicht erwarten dürfen – das klingt eher nach Spielerei als nach kommerzieller Unternehmung.

Die Verspätung verwundert, weil Lingenhel schon vor Monaten aufsperren wollte, die Küchenmannschaft bereits seit April entlohnt, aber wegen fragwürdig erscheinenden Gebarens diverser Magistratsabteilungen von einer Woche auf die nächste vertröstet wurde.

Ein wenig meint man die lange Vorbereitungszeit auch auf der Karte wiederzuentdecken: Sie liest sich, als ob Küchenchef Daniel Hoffmeister sie schon seit Monaten fixfertig hatte – alles klug durchkomponiert, nur der in der Zwischenzeit erfolgte Wechsel der Saisonen scheint ein wenig übersehen worden zu sein.

Juli-Spargel

Schon wahr, es gibt Paradeiser zur Mozzarella. Aber eben auch Spargel: zum Wolfsbarsch, zur geräucherten Forelle, auch zur Goldbrasse. Dabei darf man annehmen, dass Lingenhels Klientel sich Mitte Juli schön langsam auf etwas anderes freut. Auch die übrigen Gemüse-Akteure – Schmorzwiebel, Sellerie, Karfiol oder Lauch – sprechen nicht wirklich die Sprache des Hochsommers.

Aber das wird sich sicher demnächst ändern. Die Küchenleistung ist über weite Strecken nämlich mehr als solide: Lingenhel-Salat mit allerhand Blättern, geschmorten Tomaten, Radieschen, Parmesanchips, Knusperbrot und, vor allem, einem berückend fruchtigen Dressing, macht uneingeschränkt Freude.

Die Büffelmozzarella ist noch zugekauft, neben Schmortomaten bekommt sie eine Nocke pickelharten (aber sehr aromatischen) Paradeisereises zur Seite – ob das hilft, die seidige Fülle des Südkäses in Szene zu setzen, darf diskutiert werden. Dafür wird Burrata mit Holundergelee, Dillöl, Gurkenschnipseln und Apfel zur wunderbar erfrischenden Vorspeise.

Spaghetti mit Lauchcreme sind al dente, aber so wenig cremig angemacht, dass sie sich auf der Gabel zu einem großen Klumpen aufrollen – wer nicht aufpasst, wickelt sich die ganze Portion um die Zinken.

Loup de Mer wird knusprig auf den Punkt gebraten, das Fleisch extrem saftig und sauber im Geschmack. Ein halbes Filet um 24 Euro erscheint trotz zweier Grünspargel und fein pürierten Karfiols aber gar wenig. Den Höhepunkt gibt es zum Dessert: grandiose Ricotta (siehe Bild), mit nichts als einer Nocke geräucherten Molkeeises und etwas Dill kombiniert, eine ätherische, hochbefriedigende Kombination. (Severin Corti, RONDO, 15.7.2016)