Aktivisten feierten am Dienstag in Manila einen Sieg ihrer Regierung gegen Peking. Um den Anspruch der Philippinen zu betonen, renovieren Soldaten regelmäßig ein bei den Spratly-Inseln gestrandetes Schiff, die "Sierra Madre". Sie dient den Demonstranten (Bild) als Symbol.

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Chinesische Soldaten auf den Spratly-Inseln. Peking wollte sich am Dienstag zum Urteil zwar allenfalls abwiegelnd äußern, vor dem Spruch des Gerichts ließ Chinas Führung aber schon Manöver durchführen.

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EU-Ratspräsident Donald Tusk ließ sich zum Auftakt des EU-China-Gipfels nicht vorschreiben, was er sagen darf und was nicht. In der Großen Halle des Volkes verzichtete er auf alle protokollarischen Floskeln. In seiner kurzen Antwort auf die Begrüßung durch Chinas Premier Li Keqiang, bei der auch Journalisten wenige Minuten zuhören durften, kam er sofort auf das Reizthema Südchinesisches Meer zu sprechen.

"Wir werden gleich das Ergebnis in einem wichtigen Verfahren erfahren", sagte Tusk zwei Stunden vor Bekanntgabe des brisanten Schiedsspruchs in Den Haag. Die Kommission für das UN-Seerechtsabkommen am Ständigen Schiedshof gab später der 3.000 Seiten starken Klage der Philippinen gegen Chinas Anspruch auf den Besitz des gesamten Südchinesischen Meeres statt.

In 479 Seiten Begründung sprachen die Juristen unter anderem der chinesischen Nine-Dash-Line ("Neun-Punkte-Linie"), auf die sich China beruft, jede historische Berechtigung ab, nach dem Seerecht als Grenze für Hoheitsansprüche dienen zu können.

Pressekonferenz vermieden

Chinas Regierung hatte das Verfahren immer als illegal abgelehnt und erst recht nicht gewollt, dass die EU dazu Stellung nimmt. Peking hatte deshalb eine geplante Pressekonferenz mit der EU zeitlich gegenüber dem Urteil vorverlegt. Am Dienstag strich es die PK dann ganz, nur um zu verhindern, dass Fragen zum Urteil gestellt werden könnten.

Premier Li pries dennoch die Zusammenarbeit mit der EU als "positives Signal" in schwierigen Zeiten und ließ sich Ärger nicht anmerken. Auch nicht, als Tusk sagte, dass es zu den guten Beziehungen der EU mit China gehöre, Fragen der "Menschenrechte, der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und des Schutzes der Minderheiten anzusprechen".

"Farce im Gewand des Rechts"

Chinas Regierung hatte am Dienstag erst einmal mit den weitreichenden Folgen des Urteils zu tun, das sie offiziell so gerne ignoriert hätte. Die aus dem Umkreis der Regierung kommenden Medien verdammten den Spruch der Kommission schon vorab als "null und nichtig". Nach seiner Verkündung nannte das Außenministerium den Schiedsspruch "unwirksam" und "nicht bindend". Es werde ihn weder "annehmen noch anerkennen".

Peking will nun einfach so weitermachen wie bisher. Außenminister Wang Yi warf dem Gerichtshof in Den Haag eine "politische Farce im Gewand der Rechtsprechung" vor. "Jetzt, wo es vorbei ist, kann wieder die Zeit für einen korrekten Weg zur Lösung kommen." China meint damit, mit den Philippinen wieder ohne Einwirkung von außen bilateral zu verhandeln, so wie Peking es auch sonst bevorzugt, mit den Staaten in der Region einzeln zu sprechen.

Am Vortag hatte die Medienbeauftragte des Volkskongresses Fu Ying gewarnt: Das Urteil "wird nur die Spannungen in der Region verstärken und Frieden und Stabilität untergraben".

Probelandungen im Staatsfernsehen

Peking demonstrierte, dass man auf alle Optionen vorbereitet ist. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erinnerte an die erfolgreichen einwöchigen Kriegsmanöver der Marine und Luftwaffe bei den Paracel-Inseln (chinesisch: Xisha) vor der Urteilssprechung in Den Haag. Das Staatsfernsehen CCTV zeigte Dienstagabend Probelandungen und -starts, mit denen zwei neue Flugplätze auf den Meiji- und Zhubi-Riffen getestet wurden, den größten der sieben künstlich aufgeschütteten Inseln im Spratly-Gebiet (chinesisch: Nansha).

Die nationalen Fernsehnachrichten am Abend brachten allerdings nicht Chinas nationale Wut über den Schiedsspruch als ihre erste Meldung, sondern begannen mit einem die Emotionen abwiegelnden langen Bericht über den Abendempfang der Brüsseler EU-Führung durch Staatschef Xi Jinping. Xi lobte den Stand der Beziehungen, China wünsche sich ein stabiles Europa und ein ebenso blühendes Großbritannien. Es wolle nicht nur die Wirtschaftsbeziehungen mit der EU intensivieren, sondern auch international etwa beim G20-Gipfel zusammenarbeiten, sagte er.

Beim Schiedsspruch aber, sagte Xi den Europäern, gebe es kein Entgegenkommen: Sein Land werde keinen Vorschlag annehmen, oder Handlungen akzeptieren, die auf dem Urteil von Den Haag aufbauen. Chinas territoriale Souveränitätsansprüche und maritime Interessen würden von dem Urteil nicht berührt: "Gleich unter welchen Umständen auch immer." (Johnny Erling aus Peking, 12.7.2016)