Außen nicht perfekt, innen von guter Qualität: Spanien und Portugal stemmen sich langsam, aber doch gegen die Wegwerfkultur.

Foto: APA/DPA/Haase

Gegen die Wegwerfkultur von Lebensmitteln startete in Portugal die Onlineplattform goodafter.com. Der Name ist Programm. Spielt er doch mit dem Gegensatz zum "Best before", der englischen Standardbezeichnung fürs Mindesthaltbarkeitsdatum. Hier werden Produkte – Essbares, darunter Bioprodukte, Pflege- und Hygieneartikel bis hin zu Hundeleckerlis – angeboten, die sich allesamt dem Ablaufdatum annähern.

2016 hat das Parlament in Lissabon zum "Jahr gegen die Verschwendung von Lebensmitteln" erklärt. So ist das Hauptanliegen des Pionierprojektes, das derzeit für Portugal und Spanien Versand anbietet, ebendieser Einhalt zu gebieten. Der Erfolg kann sich sehen lassen. Allein im Juni, dem ersten Monat von Good after auf dem Onlinemarkt, wurden mehr als 3,5 Tonnen an Produkten versandt. Und vor der sicheren Entsorgung als Müll bewahrt. Noch gingen 90 Prozent der Bestellungen an Kunden in Portugal, wenngleich man bei Good after an Expansion, vor allem in Spanien, denkt. Mittelfristig steht die Eröffnung eines realen Supermarktes im Raum.

"Mehr als 4000 Kunden registrierten sich auf der Webseite und tätigten Einkäufe", sagt Good-after-Mitbegründerin Chantal de Gispert zum STANDARD: "Die Bewusstseinsbildung in Sachen Verschwendung von Nahrungsmitteln hat Früchte getragen. Die Gesellschaft ist alarmiert und sensibilisiert." Viele Jahre lang war der Verzehr solcher Produkte gesellschaftlich verpönt. Verbreitet war der Glaube, sie wären gar gesundheitsschädlich. "Die Kreislaufwirtschaft ist die Zukunft", ist de Gispert überzeugt – als Gegenpol zur linearen Wegwerfwirtschaft. Good after wäre ein wesentlicher Beitrag, "für eine grünere und ökologischere Gesellschaft".

Krisengeplagte Haushalte

Drei Ziele verfolge man: Zum einen eine Ersparnis für Portugals immer noch krisengeplagte Haushalte – Lebensmittel sind um bis zu 70 Prozent günstiger, Putzmittel um bis zu 40 Prozent -, zum anderen gehe es um Bewusstseinsbildung zur Lebensdauer von Produkten. Weitere Absicht sei es, für den Müll bestimmten Waren ein neues, ökonomisches Leben einzuhauchen, betont de Gispert. Oft habe auf Good after Feilgebotenes nur deshalb seinen Wert verloren, "weil sich die Marketingstrategie des Produzenten im Verpackungsstil gewandelt hat".

Im Angebot finden sich aktuell etwa 300 Produkte. Bis zum Jahresende sollen es 500 werden, darunter bekannte Marken wie Cadbury, Bonduelle, Rauch und Haribo – die von den Erzeugern selbst oder deren Vertrieb freilich nicht kostenlos bereitgestellt werden.

Firmensitz von Good after ist Porto. Das Logistikzentrum befindet sich unweit des nordportugiesischen Vila do Conde. Ab 49 Euro Bestellwert ist der Postversand kostenlos. Wer vor 13.00 Uhr kauft, erhält die Zustellung am darauffolgenden Morgen, andernfalls innerhalb von 24 Stunden.

"Wir stehen erst am Anfang", sagt de Gispert. Das Führungsteam des Online-Supermarkts besteht aus vier Hauptgesellschaftern, dazu kommen ein Anwalt, Manager, Kleininvestoren und de Gispert, die als Chefin Literaturwissenschaft und Finanzwesen studierte.

Auch in Spanien, wo man 2015 mehr als 7,7 Millionen Tonnen Nahrungsmittel in den Müll warf, setzen nun online vernetzte Bürgerinitiativen Akzente, jedoch vor allem gegen Armut und Hunger. Wie etwa yonodesperdicio.org (Ich verschwende nicht) oder laneverasolidaria.org (Solidaritätskühlschrank). Ihre Mitarbeiter bieten in Gassen kostenlose Produkte für Bedürftige. (Jan Marot aus Lissabon, 13.7.2016)