Am Abend wird ein Urteil im Grazer Jihadismus-Prozess erwartet.

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Graz – Am Grazer Straflandesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen den Prediger Mirsad O. fortgesetzt worden, der als Schlüsselfigur der Aktivitäten der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Österreich gilt. Mitangeklagt ist ein Tschetschene, der für den IS gekämpft haben soll.

Der Saal musste am Mittwochnachmittag aber plötzlich geräumt werden müssen. "Aufgrund einer Information, die die Sicherheit betrifft", hieß es seitens der Verantwortlichen. Alle Personen sollten noch einmal kontrolliert werden. Einzelne männliche Zuschauer wurden getrennt durch einen Ausgang hinausgelotst. Kurz darauf war das Aufgebot an Polizisten und Cobra-Beamten noch einmal deutlich erhöht und auch ein Hundeführer wurde hereingelassen

Der plötzlichen Räumung ist laut einer Sprecherin keine konkrete Drohung vorausgegangen. Der Landesverfassungsschutz habe jedoch bis kurz vor der Urteilsverkündung einen "sprunghaften" Anstieg bei der Besucherzahl wahrgenommen, weshalb eine neuerliche genaue Kontrolle aller Zuschauer im Gerichtssaal veranlasst wurde. Danach soll der Einlass in "geordneten Bahnen" erfolgen.

Zuvor nahm Islamexperte Guido Steinberg dabei Stellung zu zehn neu übersetzten Reden des Predigers. Der Sachverständige für Islamismus und Terrorismus hatte bereits im Februar seine Meinung zu den Videos und Tonaufzeichnungen von Reden O.s geäußert. Damals war er zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte eine jihadistische Ideologie vertritt: "Er wirbt für den bewaffneten Kampf in Syrien und Tschetschenien." Außerdem würde O. "die individuelle Pflicht zum bewaffneten Kampf befürworten".

Gutachter: "Sehr radikale Form des Monotheismus"

Drei Gutachten hatte der Sachverständige erstellt, doch der Verteidiger wollte noch eine Ergänzung, basierend auf der kompletten Übersetzung der Predigten, die zuvor nur teilweise auf Deutsch vorlagen. "Am Gutachten ändert sich nichts", betonte Steinberg gleich zu Beginn des Prozesses am Mittwoch. Er habe "neues Material zu alten Themen" gefunden.

O. vertrete in den zehn zusätzlichen Predigten "eine sehr radikale Form des Monotheismus" und würde nur "eine sehr kleine Gruppe als Muslime akzeptieren". Gegen den größten Teil der Menschheit wolle er den "Jihad" führen. Zum Thema "Pflicht jedes Moslems" meinte O. laut Steinberg: "Islam ist nicht Frieden, der Angriff ist verpflichtend."

Auch "große Sympathien für Al-Kaida" ließen laut Steinberg aus den Texten ableiten. Bezeichnend war für ihn aber die schwarze Fahne mit dem Prophetensiegel, die sich in der Wohnung des Predigers befand und die als IS-Flagge gilt: Sie werde ausschließlich von jihadistischen Gruppen benutzt. "Mir war klar, da hat sich jemand entschieden."

Meinungsverschiedenheit über IS-Flagge

O.s Verteidiger hatte einen Privatgutachter mitgebracht, der Fragen an den Sachverständigen stellte. An der Frage, ob und seit wann die schwarze Flagge ein eindeutiger Hinweis auf IS-Zugehörigkeit sei, schieden sich die Geister. "Kann man sagen, dass es darüber eine Meinungsverschiedenheit gibt?", fragte der Privatgutachter den Sachverständigen. "Wenn Sie eine andere Meinung haben, haben wir schon eine Meinungsverschiedenheit", antwortete ein beisitzender Richter.

Am Nachmittag wurden Videos vorgeführt, die unter anderem den Abschied von Selbstmordattentätern zeigen. O. betonte, er habe damit nie etwas zu tun gehabt. "Ich bin nicht auf dem Video, und sie haben auch nicht meinen Namen genannt." Die Filme zeigen unter anderem einen lachenden jungen Mann, der sich in Wien von einem Freund verabschiedet. "Er ist mittlerweile tot", klärte der Staatsanwalt die Geschworenen auf. Auch Videos von Selbstmordattentätern wurden gezeigt, die vermummt vor der schwarzen IS-Flagge stehen und sich von ihren Familien verabschieden. "Einige Stunden später hat er sich in einem Auto in die Luft gesprengt", sagte der Staatsanwalt. Dann begann die Beratung über die Fragen an die Geschworenen, anschließend sollten die Plädoyers folgen. Ein Urteil wurde für den Abend erwartet. (APA, 13.7.2016)