Am Vorabend des ersten Durchgangs der Bundespräsidentenwahl gab es ein Ereignis, das als prophetische Metapher für deren Ergebnis interpretiert werden kann. Ort des Geschehens war das Vicente-Calderón-Stadion in Madrid, wo es beim Spiel von Atlético Madrid gegen den FC Málaga zu einem ungewöhnlichen Vorfall kam.

Beim Stand von 0:0 zog ein Stürmer von Málaga aus aussichtsreicher Position nahezu unbehindert mit dem Ball Richtung gegnerisches Tor, als ihm plötzlich von außerhalb des Spielfeldes ein zweiter Ball in den Lauf geworfen wurde. Der dadurch massiv irritierte Spieler vergab daraufhin prompt die große Torchance. Der irreguläre Zweitball war von einem Ballbuben ins Spielfeld befördert worden, der dabei auf Geheiß des Atlético-Trainers Diego Simeone gehandelt hatte. Für diese extreme Unsportlichkeit wurde Simeone zwar vom Schiedsrichter auf die Tribüne verbannt, aber sie zahlte sich allemal aus: Das Team von Atlético ging schließlich noch als 1:0-Sieger vom Platz.

Das unter der Leitung des bekennenden Fußballfans Gerhart Holzinger gefällte VfGH-Urteil zur Wahlwiederholung ermöglicht, dass der Simeone-Trick künftig auch in der Politik funktionieren kann. Die Rolle des instrumentalisierten Ballbuben wird von Wahlbeisitzern übernommen, die, auf Anweisung ihrer in der Parteihierarchie höherstehenden "Trainer", im Falle von durch unerwünschte Wahlergebnisse drohendem Ungemach eine der Strenge des Höchstrichterspruchs entsprechende korrekte Auszählung verunmöglichen. Dabei ist der Kreativität Tür und Tor geöffnet: Sekundenschlaf beim Öffnen der Wahlkarten, unaufschiebbarer Harndrang beim Zählen der Stimmen, spontane Sehschwäche beim Beglaubigen des Resultats, oder – nach dem Vorbild des Ballbuben für alle Wähler möglich – irreguläres Einwerfen. Das macht man laut Wahlgesetz, wenn man eigenhändig seinen Stimmzettel in die Wahlurne wirft.

Angesichts solcher Aussichten sollte auch jener Mann erwähnt werden, dem wir dieses demokratiepolitische Ballbubenstück verdanken: Dieter Böhmdorfer. Um ihm gerecht zu werden, muss man an den viel zu früh verstorbenen Kurt Kuch erinnern. In dessen Skandalchronik Land der Diebe tritt Böhmdorfer als eine Art Running Gag auf, der in zahlreichen Korruptionsverdachtsfällen eine Rolle spielt, ohne dafür Konsequenzen tragen zu müssen. Als geradezu magischer Ort erscheint dabei Böhmdorfers Kanzlei, in der beispielsweise ein mit einer illegalen FPÖ-Parteispende des Industriellen Turnauer in Höhe von fünf Millionen Schilling gefülltes Kuvert verschwunden sein (das Verfahren gegen Turnauer wurde eingestellt) oder Walter Meischberger nicht versteuerte 2,5 Millionen Schilling "Rücktrittsentschädigung" per Überbringersparbuch erhalten haben soll.

Egal ob man diese Örtlichkeit deshalb als "rechtsfreien Raum" oder als "juristisches Leo" betrachten darf, vor justizbedingten Konsequenzen dürfte man dort sicher sein. Es würde sich daher anbieten, zukünftige Wahlanfechtungen vonseiten der FPÖ schon im Vorfeld zu vermeiden, indem man die Stimmauszählung gleich in Böhmdorfers Kanzlei verlegt. (Florian Scheuba, 13.7.2016)