Geht wegen "mehrerer Gründe" nun doch nicht mehr davon aus, dass die "Flüchtlings-Obergrenze" heuer noch erreicht wird: Innenminister Wolfgang Sobotka.

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Staatssekretärin Muna Duzdar widerspricht dem Innenminister in mehreren Punkten.

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Wien – Beim Asylthema gibt es nach wie vor grobe Auffassungsunterschiede zwischen SPÖ und ÖVP. Kanzleramts-Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) lehnt die rasche Erstellung einer Asylnotverordnung ab. "Ich sehe derzeit keine Notsituation", sagte sie im APA-Interview.

Die geplante Verordnung, mit der ab Erreichen der Obergrenze von 37.500 Anträgen im Jahr 2016 das Stellen von weiteren Asylanträgen deutlich erschwert werden soll, müsste mit Zahlen und Fakten untermauert werden, betonte die Staatssekretärin. Und diese würden derzeit nicht auf eine Notsituation hinweisen.

Kritik an jüngster Asylgesetznovelle

Darauf, dass neben dem Innenminister mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl auch ein SPÖ-Politiker auf einen raschen Beschluss der Verordnung drängt, wollte sie nicht näher eingehen. Abgesehen von der Möglichkeit dieser Notverordnung sieht Duzdar auch die anderen Punkte der jüngsten Asylgesetznovelle nach wie vor kritisch. So würden etwa die Verschärfung des Familiennachzugs und Asyl auf Zeit die Integration behindern.

Sobotka selbst erklärte in der deutschen Zeitung "Die Welt", er rechne damit, dass die Obergrenze heuer nicht erreicht werde. Dafür gebe es "mehrere Gründe" – unter anderem die erwähnte Notverordnung. Bei ihm klingt es aber so, als ob die Verordnung kein Streitthema mehr wäre und bereits vorliegen würde: "Zudem können wir jetzt auch per Verordnung Asylbewerber an der Grenze abweisen, wenn der Zuzug von Flüchtlingen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden sollte", so der Minister.

Hilfe für Ungarn

Einhaltbar ist für ihn die Obergrenze auch aus anderen Gründen: Die Westbalkanroute bleibe geschlossen, Österreich helfe Ungarn bei der Sicherung der Grenze zu Serbien und erwarte die Rücknahme von Flüchtlingen durch das Nachbarland. Am Donnerstag findet dazu ein Treffen von Sobotka und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit ihren ungarischen Amtskollegen statt.

Sobotka wandte sich im "Welt"-Interview zudem energisch gegen Pläne der EU-Kommission, Schutzsuchenden spätestens sechs Monate nach Abgabe ihres Asylantrags eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. "Ich halte es für undenkbar, Asylbewerbern eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Das wäre ein Aufruf an die Menschen in den Krisenstaaten, nach Österreich zu kommen. Das würde der Arbeitsmarkt hiezulande nicht verkraften", sagte der Innenminister.

Bei "Massenansturm" Brenner schließen

Aufhorchen ließ Sobotka auch mit seinem Eintreten für eine Visaliberalisierung mit der Türkei. Europa müsse zu seinem Wort stehen. "Wenn alle Bedingungen für die Visafreiheit erfüllt sind, dann wäre es unfair, den Menschen in der Türkei kein visafreies Reisen in die EU zu ermöglichen", sagte er.

Zugleich bekräftigte Sobotka die Entschlossenheit, den Brenner bei einem "Massenansturm" von Flüchtlingen aus Italien zu schließen. "Wir sind jetzt in der Lage, falls nötig, innerhalb von zwei Tagen strikte Grenzkontrollen am Brenner hochzuziehen", sagte er. Dies könne zu Verzögerungen im Reiseverkehr führen. "Aber wir können nicht zulassen, dass Flüchtlinge unkontrolliert nach Österreich strömen", unterstrich der Innenminister. Es gehe darum, Schleppern die Stirn zu bieten.

Von Anfang an abholen

Duzdar findet es hingegen grundsätzlich positiv, Asylwerbern schon vor einem positiven Bescheid eine Arbeitserlaubnis zu geben. Sie verweist darauf, dass Arbeit und Bildung wesentliche Faktoren der Integration seien und betont, dass man die Menschen "von Anfang an abholen" müsse und sie nicht zur Untätigkeit verdammen dürfe. Derzeit werde über eine schrittweise Öffnung des Arbeitsmarktes verhandelt. Mit der im Integrationspaket vereinbarten Möglichkeit zur gemeinnützigen Tätigkeit sei schon ein erster Schritt gelungen.

Die von Sobotka vorgeschlagene Verpflichtung zu gemeinnütziger Tätigkeit bei geringer Bezahlung für Mindestsicherungsbezieher und damit auch für Flüchtlinge findet hingegen "ganz und gar nicht" die Zustimmung Duzdars. "So stelle ich mir sozialen Frieden nicht vor." (APA, 14.7.2016)