Schriftsteller Thomas Glavinic.

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Schriftstellerin Stefanie Sargnagel.

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Ausschnitt aus Klaus Nüchterns Bachmannpreis-Kommentar im "Falter" 27/16.

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Sargnagel stapelte in einer Buchhandlung ihre Bücher über jene von Glavinic.

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Wien – Als Social Media vor der Bundespräsidentenwahl brodelte und der aus der Stratosphäre zu Weltruhm gefallene Felix Baumgartner dazu inhaltlich wie orthografisch auf den Kopf Gefallenes beizutragen hatte, machte Thomas Glavinic sich auf Facebook gegen Polarisierung stark: Man dürfe nicht alle Hofer-Wähler in Bausch und Bogen verurteilen und beschimpfen, postete er, sondern müsse auf sie zugehen. Hier war einer am Wort, der schon Bücher gelesen hatte, schien es.

In den letzten Tagen hat der Autor sich allerdings vertippt. "Wieso kann ein sprechender Rollmops meine Seiten verschweinen?", richtete er der Facebook-Poetin und Bachmann-Publikumspreisgewinnerin Stefanie Sargnagel aka Sprengnagel in einem Kommentar auf Facebook aus. Die kommentierte: "Fatshaming? Ernsthaft? Hätte nicht gedacht, dass du SO peinlich bist."

Und legte nach: "Wer denkt, junge erfolgreiche Autorinnen mit der Beurteilung ihres Körpers öffentlich beleidigen zu wollen, wäre nur die verzweifelte Methode frauenhassender Burschis und wütender Hoferwähler: nope! Hier eine Nachricht eines bekannten, österreichischen Autors an mich, nachdem ich auf die Beleidigung 'talentfreie Krawallnudel' reagiert hab."

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Tatsächlich bediente Glavinic sich damit eines auf ihr Äußeres abzielenden Musters, das FPÖler und Identitäre vielfach gegen Sargnagel nutzen. Dass der Ex-Grüne Klaus Werner-Lobo den Kommentar auf Facebook allerdings mit der Anmerkung "Wer noch wissen wollte, warum Glavinic so gut mit Strache kann" teilte, führte unter den Usern zu einigem Unbehagen. Was aber war passiert?

Wer angefangen hat

Ihren Anfang nahm die Chose mit dem Kommentar von Klaus Nüchtern zum Bachmannpreis im "Falter" von vergangener Woche (27/16). Darin ortete jener mithilfe der Nennung von "It-Girls wie Vea Kaiser, Valery Fritsch, Ronja von Rönne oder eben Stefanie Sargnagel" ein Missverhältnis: nämlich dass "aufmerksamkeitsökonomische Alertheit und literarische Qualität zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Autorinnen wie Anna Weidenholzer und Karin Peschka mögen von den Redakteuren der 'Leute'-Seiten und 'Seitenblicke'-Formate ignoriert werden, dafür ist ihre Literatur aber auch interessanter als der Kitsch und das selbstverliebte Generationengeraune ihrer bekannteren Kolleginnen" (siehe Ausschnitt links).

Lassen wir einmal den Umstand, dass Cartoons von Sargnagel neuerdings regelmäßig im "Falter" erscheinen – und damit im von Nüchtern bespielten Blatt eine Plattform geboten bekommen – außen vor. Lassen wir außen vor, dass "'Leute'-Seiten" und "'Seitenblicke'-Formate" weder Aufgabe noch Anspruch zur Kulturförderung haben. Ebenso, dass die angegriffenen Autorinnen literarisch sowie im Auftreten recht verschiedene Felder beackern. Lassen wir außer Acht, dass es das gute Recht, ja die Aufgabe jedes Autors ist, für sich Aufmerksamkeit zu generieren, und die Aufgabe der Kulturberichterstattung hingegen, jene nach hehreren Gesichtspunkten als dem angeprangerten "Selbstmarketing" zu verteilen. Lassen wir außer Acht, dass man Valerie Fritsch mit -ie statt mit -y schreibt, und lassen wir zuletzt noch außer Acht, dass Nüchtern mit seiner Kritik, ungeachtet genannter Namen, prinzipiell nicht Unrecht hat. Was bleibt dann?

Das Coole am Internet

"Ich find's cool, wenn man ein Internetpublikum hat, dass man alles ein bissl steuern kann", sagte Sargnagel zuletzt im STANDARD-Interview. "Wenn Journalisten irgendwas schreiben, kann man sich sofort darüber aufregen, und es lesen wahrscheinlich ähnlich viele Leute." Nun, die Zahl der Leute, die den "Beef", wie sie das Hickhack mit Glavinic nennt, mitbekommen haben, ist höchstwahrscheinlich höher als die Zahl derer, die den "Falter" kaufen. Allerdings hat dieser "Beef" mit dem Stein des Anstoßes nicht mehr wirklich viel zu tun. So viel dazu.

Doch da nahm die Sache ihren Lauf: Glavinic verteidigte Kaiser und Fritsch und nannte Sargnagel im selben Zug eine "talentfreie Krawallnudel". Als Antwort schlug jene ihm u. a. vor, seinen "Schwanz" zu posten oder mit H.-C. Strache auf ein Bier zu gehen (was er, abgesehen davon, dass es ein Spritzer war, beides schon getan hatte); Glavinic konterte mit dem Sager vom "sprechenden Rollmops".

"Die talentlose Krawallnudel wär mir ja relativ wurst, aber von einem öffentlichen Künstler wegen meinem Gewicht beleidigt zu werden geht mir zu weit", antwortete Sargnagel daraufhin und stapelte in einer Buchhandlung ihre Bücher über seine (siehe Bild links).

Faszinosum und Fremdschämen

Vielleicht verstehen nur eingeschworene Fans und Follower das Faszinosum. "Ich genier mich immer wenn die medien meine Internet beefs aufgreifen", kommentierte Sargnagel am Mittwochmittag auf Facebook das Aufspringen erster Medien auf die Attacken mit gar nicht spitzer Feder. "Eigentlich wollte ich bissl abnehmen aber jetzt muss ich zum Trotz gegenüber psychischer Gewalt von Männern 20 Kilo zunehmen", legte sie Mittwochnacht gegen Glavinic nach.

Natürlich dürfen Autoren so inkorrekt, patzig, flach oder chauvinistisch sein wie jeder andere auch. Aber an den – oft auch unwillentlich – verschwimmenden Grenzen von privat und öffentlich in den sozialen Netzwerken, wo die Fans des einen (David Glavinic, circa 10.000) und des anderen (Goliath Sargnagel, circa 32.000) dann Neidaktionen und Co beschwören, wirkt das doch irgendwie desavouierend. (Michael Wurmitzer, 14.7.2016)