Wie lassen sich die vielfältigen Aufgaben des modernen Staates in Zukunft gerecht absichern? Diese Frage wird immer drängender, und auch aus der Kirche gibt es dazu immer wieder Vorschläge. Grundtenor dabei ist, den Faktor Arbeit zu entlasten und dafür andere marktwirtschaftlich sinnvolle Steuern nach sozialen und ökologischen Kriterien zu forcieren. Nicht nur die Bischofskonferenz, auch zahlreiche andere kirchliche Einrichtungen sind daher beispielsweise für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und für Maßnahmen gegen Steuerflucht.
Das kommt offensichtlich nicht überall gut an, wie der Gastkommentar von Gottfried Schellmann am 11. Juli unter dem Titel "Die Kirche predigt Wasser und trinkt Wein" zeigt. Ohne auf die Vorschläge für ein gerechteres Steuermodell näher einzugehen, lässt der Steuerberater kein gutes Haar an der Kirche und unterstellt ihr sogar, auf Kosten des Staates immer reicher zu werden. Dazu werden die üblichen Halbwahrheiten hinsichtlich kirchlicher Steuerprivilegien bemüht.
Die Kirche zahlt aber sehr wohl Steuern, und nicht wenig: Das belegt eine IHS-Joanneum-Research-Studie aus dem Vorjahr. Demnach lukriert der Staat aus wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kirche jährlich 3,35 Milliarden Euro an Steuern und Sozialabgaben.
Nicht ganz richtig sind beispielsweise Schellmanns Aussagen über die Grundsteuerbefreiung: Sie gilt nur – so wie bei anderen Kirchen, Religionen und Körperschaften Öffentlichen Rechts auch -, wenn Grundstücke dem Gottesdienst, der Seelsorge, der Verwaltung oder der Schule dienen. Für alle anderen Grundstücke im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, des Wohnens etc. zahlt die Kirche die Grundsteuer. Anders als von Schellmann suggeriert, gilt generell: Wenn kirchliche Einrichtungen wirtschaftlich-gewerblich tätig sind, unterliegen sie der vollen Steuerpflicht.
Was die Kirche gemeinsam mit ihren vielen Freiwilligen und Spendern im Bereich von Seelsorge, Bildung, Gesundheit, Sozialem, Entwicklungshilfe, Kultur etc. leistet, kann sich demgegenüber sehen lassen. Das belegt die IHS-Studie, die zum Schluss kommt, dass die Allgemeinheit jährlich einen nachweisbaren Nutzen im Wert von 2,58 Mrd. Euro lukriert.
Überflüssige Forderung
Daraus folgt: Die Forderung Schellmanns, "die Hälfte des Kirchenvermögens für die Armutsbekämpfung zu konfiszieren", erinnert nicht nur an totalitäre Regime, sie ist überflüssig, weil die Kirche sehr viel für die Allgemeinheit leistet. Und zweitens: Die Kirche und ihre Einrichtungen werden sich nicht den Mund verbieten lassen, wenn es um eine lebenswerte und gerechte Zukunft für Menschen in Österreich und weltweit geht. Gefragt sind Ideen, Engagement und Allianzen für eine nachhaltige Sozial- und Wirtschaftsordnung, und dafür steht Kirche auch. (Paul Wuthe, 14.7.2016)