Der Prozess gegen den Islamprediger Mirsad O. wurde von Anbeginn scharf bewacht. Am letzten Verhandlungstag wurde der Grazer Gerichtssaal kurzfristig aus Sicherheitsgründen geräumt.

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Graz/Wien – Noch bevor das Geschworenengericht das Urteil – 20 Jahre Haft – verlas, rückte der Islamprediger Mirsad O. seinen Stuhl in Richtung der Laienrichter und fixierte die Geschworenen: "Ich möchte sie anschauen." In der eindringlichen Manier eines ausgebufften Predigers beschwor er die Geschworenen, dass es keinen einzigen Beweis gebe, dass er junge Muslime verleitet habe, nach Syrien in den bewaffneten Jihad zu ziehen.

Sein Verteidiger hatte zuvor argumentiert, es lebten in Österreich 2000 bis 3000 Muslime, die einer radikalen Auslegung des Islam huldigten. "Ja, sie sind extrem, manche sind gefährlich, und sie alle suchen einen Prediger." In Mirsad O. hätten sie einen gefunden, aber: "Was hat das mit ihm zu tun?" Er habe in den Predigten nie jemanden verleitet, eine Straftat zu begehen. Dafür gebe es keinen einzigen Beweis, nur Indizien.

Strenges Urteil

Die Geschworenen glaubten weder dem Verteidiger noch dem Angeklagten und entschieden sich für ein im europäischen Maßstab strenges Urteil von 20 Jahren Haft. Für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Anstiftung von Muslimen, sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anzuschließen, sowie Anstiftung zu Mord und Nötigung. Der zweite Angeklagte wurde – ebenfalls noch nicht rechtskräftig – zu zehn Jahren Haft verurteilt, aber vom Mordvorwurf freigesprochen.

In der Endsequenz des Prozesses erörterte Mirsad O. noch einen bemerkenswerten Aspekt: In seiner rhetorisch ausgefeilten Verteidigungsrede streute der Islamprediger Österreich und im speziellen Wien und dem dortigen Stadtschulrat wegen deren großer Toleranz Rosen. Er habe in Saudi-Arabien den Koran studiert, was er bei der Rückkehr auch dem Wiener Stadtschulrat ausdrücklich gemeldet habe. "Sie haben mich sofort akzeptiert", er sei umgehend als Volksschullehrer, später auch Hauptschullehrer angestellt worden.

"Alles erlaubt"

Er schätze Österreich, weil selbst die strengsten religionsgesetzlichen Glaubenslehren durch das Islamgesetz gesichert seien und er "alles sagen darf". "Man will Salafisten nun aber wie Verbrecher hinstellen", dabei sei auch diese Glaubensrichtung erlaubt, sagte Mirsad O.

Religionsrechtsexperte Richard Potz von der Universität Wien gibt dem Verurteilten insofern recht, als die extremen Glaubensrichtungen der Salafisten und Wahhabiten nicht aus dem Kreis der akzeptierten Glaubensrichtungen ausgeschlossen seien. Der jetzt verurteilte Prediger irre aber, wenn er glaube, dass damit keine Grenzen gesetzt seien. Er könne nur so weit predigen, soweit er nicht Grundrechte und das Strafrecht überschreite – was ja bei Mirsad O. ganz offensichtlich der Fall gewesen sei.

Potz gibt im Standard-Gespräch zu bedenken, dass die Anerkennungspraxis durchaus problematisch sei. Die Islamische Glaubensgemeinschaft sei nun gefordert. Denn sie entscheide, welche Glaubensrichtungen sie aufnehme und welche nicht. Potz: "Sie müssen klarstellen, was in den Moscheen gelehrt werden darf und was nicht." (Walter Müller, 14.7.2016)