Wien – "Wir schneiden nicht eine Salamischeibe nach der anderen ab, sondern verfolgen einen stringenten Plan." Markus Spiesshofer reist seit Tagen durch Europa, um vor seine Mitarbeiter zu treten, sie über die Schließung von Standorten und den Verlust von Arbeitsplätzen zu informieren. Spiesshofer ist Eigentümer von Triumph und führt den traditionsreichen Schweizer Dessousriesen gemeinsam mit zwei Familienmitgliedern in fünfter Generation. "Die meisten Mitarbeiter wissen schon seit Jahren, dass etwas kommen wird, das war nicht überraschend."
Spiesshofer informierte in Portugal 520 Arbeitnehmer über den Verkauf ihres Werkes. In Aalen in Deutschland erfuhren 300 Leute, dass ihr Logistikzentrum bis 2018 aufgelassen wird, womit sich ihre Jobs erübrigen. Die Österreicher setzte er am Freitag über das weitere Schicksal ihrer Niederlassung in Wiener Neustadt in Kenntnis.
Fast 60 Jahre in Wiener Neustadt
Dieses ist zwiespältig: Arbeitsplätze fallen weg – der Standort bleibt aber erhalten. Wiener Neustadt musste sich mit französischen und deutschen Schwesterbetrieben messen – und saß letztlich am längeren Ast. Zumindest aus dem Blickwinkel der Logistik.
Triumph beendet in Österreich ein Kapitel Industriegeschichte. Der Schweizer Konzern mit deutschen Wurzeln produzierte hier fast 60 Jahre lang feine Spitze. In guten Zeiten nähten 3000 Mitarbeiter verteilt auf ein Dutzend Standorte. Bis ein Werk nach dem anderen zusperrte. Allein in den vergangenen Jahren gingen von Oberwart über Hartberg bis Aspang tausend Jobs verloren. Nun trennt sich Triumph auch vom letzten Rest seiner Dessousfertigung in Wiener Neustadt.
Der Konzern konzentriert seine eigene Produktion in Marokko, Indien, China, Vietnam. Osteuropäische Zulieferer arbeiten infolge autark und benötigen aus Österreich keine Vorleistung mehr. 110 der 420 in Wiener Neustadt verbliebenen Mitarbeiter – überwiegend Frauen – sind betroffen.
Wettlauf der Standorte
Was den Betriebsrat aufatmen lässt: Wiener Neustadt wird als Logistikdrehscheibe ausgebaut. In den kommenden eineinhalb Jahren soll das hundert neue Arbeitsplätze bringen. Gut die Hälfte der Mitarbeiter, die in der Produktion die Arbeit verlieren, soll in der Logistik nach Umschulungen neue Stellen finden. Ohne Gehaltseinbußen, wie Triumph verspricht.
Triumph werde zehn bis zwölf Millionen Euro in Wiener Neustadt investieren, sagen Gabriele Gruber und Manfred Knebel, Betriebsräte des Konzerns. Die Alternative, die Logistik gänzlich auszulagern, sei abgewendet worden. "Am Ende der Kette braucht es immer noch einen gewissen Anteil an manueller Arbeit."
Büstenhalter, das komplexe Gebilde
Spiesshofer schildert im Gespräch mit dem STANDARD das raue Umfeld, in dem sich Triumph bewege: Konsumenten kauften weniger, seltener spontan und griffen zusehends zu Standardware. Büstenhalter aber seien mit bis zu 65 Einzelteilen komplexe Gebilde. Sie variierten regional und lockten immer mehr branchenfremde Spieler an. In Deutschland sei der Markt für Unterwäsche seit 2011 um elf Prozent eingebrochen, in Italien um 14, in Japan um 20 Prozent. "Viele Entwicklungen sind einfach nicht mehr aufzuhalten."
Was Personalstand und Logistik betrifft, sei der Konzernumbau jedoch nun abgeschlossen. Der Fokus liegt dabei auf den verbliebenen Marken Triumph und Sloggi.
Die Schweizer betreiben in Österreich zudem mit 270 Mitarbeitern 70 Filialen, 50 davon selbst. Bei zehn Prozent könnte es einen Standortabtausch geben, größere Einschnitte sind keine geplant.
In Familienhand halten
Paul Prusa, Gewerkschafter der GPA, ging in den vergangenen Jahren bei Triumph ein und aus. "Man versucht halt zu retten, was zu retten ist. Wir können Unternehmen aber nicht vorschreiben, wo sie produzieren." Wichtig sei, dass Wiener Neustadt zumindest als Standort für Entwicklung, Design und Logistik erhalten bleibe. Für die Angestellten, die ihre Arbeit verlieren, wirken Sozialpläne aus den Vorjahren nach.
"Wir haben alle unsere Ziele erreicht", sagt Spiesshofer. Heuer seien die Umsätze gestiegen, man habe wieder Marktanteile gewonnen. Seine eigene wie auch Familie Braun sind nach wie vor alleinige Inhaber der Wäschegruppe. Auf die Suche nach externen Investoren macht sich Triumph nicht. "Wir wollen das Unternehmen an die nächste Generation weitergeben." (Verena Kainrath, 15.7.2016)