Sie sehen aus, als würden sie gleich Pirouetten drehen, stattdessen greifen sie zu den Waffen: Die jungen Frauen im Film Birth of a Nation (2013) tragen weiße Tüllschleifen im Haar, die ihnen einen lieblichen Anschein geben. Dabei ist das Ziel ihrer Ausbildung an einer Kadettenschule bei Moskau die Formung einer idealen russischen Staatsbürgerin. Und dafür sind neben dem adretten Äußeren (u. a. kurze Röcke) sowie häuslichen Fähigkeiten auch eiserne Disziplin und die Erziehung an der Waffe wichtig.
In der Ausstellung Age of Nation, die man in der Galerie Knoll aus aktuellem Anlass – dem fatalen Revival des Nationalstaats – zusammenstellte, ist die Arbeit der niederländischen Künstlerin Daya Cahen geradezu exemplarisch. Aufgezeigt werden darin die Mechanismen der Nationenbildung im postsowjetischen Russland, das sich auf die Tradition einer (scheinbar) geschlechtsneutralen Erziehung und den Militarismus der UdSSR beruft.
Matej Kaminský ist in der Auseinandersetzung mit der Nation weniger am Dokumentarischen als an tatkräftiger Subversion interessiert: In seinem Video National Passion (2010) nähert er sich Denkmälern einiger slowakischer Nationalhelden (Catrin Bolt hat hierzulande im Jahr 2000 eine ähnliche Arbeit gemacht) quasi unziemlich an: Neben Juraj Jánosík, einer Art Robin Hood, wird von ihm auch Milan Rastislav Stefánik, ein Gründervater der Ersten Tschechoslowakischen Republik, leidenschaftlich abgeknutscht. Der homoerotische Touch hätte den beiden Herren wohl genauso wenig gefallen wie dem durchschnittlichen nationalistischen Hardliner, der zur Konstruktion des Eigenen gerne auf Feindbilder, Rassismus und die Ausgrenzung des sogenannten Anderen setzt.
Obszöne Machtkämpfe
Was die in Bildern festgehaltene Wut auf den Nationalismus betrifft, sind Alexander Brener und Barbara Schurz jedoch nicht zu überbieten: In ihren comicartigen Bildern der Serie Democratic Culture (1997) werden nicht nur sämtliche Staaten im wahrsten Sinne des Wortes gefickt – auch radikale politische Gruppierungen wie die Black Panther oder die RAF tauchen als Mitspieler in einem obszönen Kampf um die untere bzw. obere Position auf.
Seriöser gehen dagegen wieder Jarmila Mitríková & Dávid Demjanovic und auch Vladimir Miladinovic vor: Um einen nationalen slawischen Kult rund um die Göttin Morena zu dekonstruieren, greifen sie eine alte Bildtechnik (Pyrografie) und die Ästhetik des sozialistischen Realismus auf.
Während sie die politische Propaganda surreal überspitzen, bleibt Vladimir Miladinovic streng bei den Fakten: Er beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der Politik des Erinnerns und hat für die Wiener Präsentation einige Seiten aus der in London publizierten linken Exilzeitschrift Free Austrian Movement von 1940 nachgezeichnet.
Im Zusammenhang mit dem wiedererstarkenden Nationalismus in Osteuropa, kommt man freilich auch kaum an den gestürzten Denkmälern vorbei, wie sie etwa auch Csaba Nemes (geb. 1966 in Budapest) gemalt hat. Bewegender ist allerdings das Video Grandmother von Leonie Tsoy, in dem die bettlägerige Großmutter der russischen Künstlerin von ihrem harten Leben als tatarische Frau erzählt. (Christa Benzer, Album, 19.7.2016)