Kiew/Moskau/Wien – Im Zusammenhang mit einer Aiwasowski-Retrospektive in Moskaus Tretjakow-Galerie ruft das ukrainische Kulturministerium zum internationalen Boykott russischer Museen auf, die Kunstwerke aus Sammlungen der Krim ausstellen. Die aktuelle Causa illustriert, dass auch zwei Jahre nach Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel eine kulturelle Zusammenarbeit der beiden Staaten unmöglich bleibt.

Iwan Aiwasowski gilt als der wichtigste Marinemaler des Zarenreiches, anlässlich seines 200. Geburtstages präsentiert die staatliche Tretjakow-Galerie ab 29. Juli eine großangelegte Retrospektive, in der 100 Gemälde und 50 Grafiken zu sehen sein werden. 38 Exponate dieser Ausstellung steuert dabei die Bildergalerie des Krimstädtchens Feodossija bei. Der armenischstämmige Aiwasowski kam in Feodossija zur Welt und starb hier, er hatte der städtischen Galerie noch zu Lebzeiten einen Teil seiner Werke vermacht.

Der temporäre Transfer der Kunstwerke von Feodossija nach Moskau erzürnt nun Kiew, das die Kunstsammlungen der Krim weiterhin als Teil der "musealen Bestände" des Landes sieht. Ihre Ausfuhr nach Russland bedarf nach ukrainischem Recht einer staatlichen Bewilligung.

Illegal ausgeführte Kunstobjekte

"Die Ukraine fordert die internationale Gesellschaft auf, die Zusammenarbeit mit jenen russischen Kulturinstitutionen zu beenden, denen illegal von der Krim ausgeführte Kunstobjekte übergeben werden", kommentierte das ukrainische Kulturministerium die Aiwasowski-Ausstellung am Mittwoch. Bedingt durch Russlands grobe Verletzungen des Völkerrechts, hieß es in der Mitteilung, habe der ukrainische Staat keine Möglichkeit, die Unversehrtheit des kulturelles Erbes auf temporär okkupiertem Territorium zu kontrollieren.

Gleichzeitig erinnerte das ukrainischen Ministerium an Artikel 5 der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954, der Russland zur Sicherung und Erhaltung von Kunstschätzen verpflichte. Freilich gibt es keine Indizien dafür, dass die Gemälde aus Feodossija in Moskau beschädigt oder gar zerstört werden könnten. Eher im Gegenteil: Die Ausstellungsbedingungen in der Tretjakow-Galerie sind besser als jene im technisch und finanziell schlechter ausgestatteten Museum auf der Krim.

In der Moskauer Kunstinstitution selbst betont man diplomatisch, dass die Retrospektive keine bedeutsamen Werke der Dauerschau in Feodossija tangiere. Alle präsentierten Arbeiten, so eine Museumssprecherin zur APA, würden unmittelbar nach Ausstellungsende im November 2016 auf die Krim zurückkehren.

Das russische Kulturministerium wollte gegenüber der APA Kiews Reaktion auf die Aiwasowski-Ausstellung nicht kommentieren, erklärte jedoch, dass nach russischer Auffassung die Kunstsammlungen der Krim seit einem Gesetzesbeschluss im Februar 2015 als Teil der "musealen Bestände" der Russischen Föderation geführt werden. Russische Gesetze stehen hier im Widerspruch zu ukrainischen Gesetzen und ist es völlig unklar, wie diese Kollision beendet werden könnte.

Pattstellung

In einer Pattstellung verharrt auch die erste kulturelle Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine, die 2014 aus der Annexion der Krim resultiert hatte. Noch während der Proteste am Kiewer Maidan hatte das Allard Pierson Museum in Amsterdam "Die Krim: Gold und Geheimnisse des Schwarzen Meeres" eröffnet, eine Ausstellung mit archäologischen Exponate aus einigen Museen der Halbinsel. Nach Ende der Ausstellung im Mai 2014 begehrten sowohl die Leihgeber, die sich nunmehr auf russisch-kontrolliertem Territorium befanden, als auch das ukrainische Kulturministerium eine Rückgabe der wertvollen Objekte.

Das Allard Pierson Museum weigert sich und will erst nach einem Gerichtsentscheid, einem Schiedsspruch oder einer Einigung zwischen den Krim-Museen und der Ukraine die Werke retournieren. "Bis mehr klar ist werden die umstrittenen Objekte sicher gelagert", erklärte die Institution Allard Pierson Museum im August 2014. Bis dato habe sich daran nichts geändert, bestätigte eine Museumssprecherin am Donnerstag gegenüber der APA.

Offizielle Kontakte zwischen staatlichen Museen in Russland und der Ukraine sind indes praktisch völlig zum Erliegen gekommen. Seit einer Präsentation altrussischer Ikonen aus dem Moskauer Rubljow-Museums in Kiew Ende 2013/Anfang 2014 gab es in der Ukraine keinerlei Ausstellungen mehr, in der Exponate aus staatlichen Beständen der Russischen Föderation gezeigt worden sind.

Zuletzt fehlten aber auch Werke aus der Ukraine in russischen Ausstellungen. So musste vergangenes Jahr die großangelegte Retrospektive des Malers Pawel Fedotow (1815-1852) im Russischen Museum von St. Petersburg ohne sein Schlüsselwerk "Die Spieler" auskommen. Dieses Gemälde befindet sich im Museum für russische Kunst in Kiew. (APA, 16.7.2016)