London – Das Brexit-Referendum hinterlässt erste Spuren in der britischen Wirtschaft. Es gebe Anzeichen für eine Belastung des Immobilienmarkts, sagte der Vizegouverneur der britischen Notenbank (Bank of England, BoE), Sam Woods, am Dienstag im Finanzausschuss des Parlaments.

Der neue Finanzminister Philip Hammond kündigte an, eng mit der Bank of England zusammenzuarbeiten, um die Wirtschaft durch den Brexit-Schock zu steuern. Den offiziellen Antrag zum EU-Austritt will die Regierung wohl erst kommendes Jahr stellen.

Nach ersten Daten sehe es so aus, dass die Immobilienpreise und die Bauaktivitäten zurückgingen, sagte Woods. Dies stehe im Einklang mit den Erwartungen der BoE nach dem Referendum, in dem am 23. Juni eine Mehrheit der Briten für einen EU-Austritt gestimmt hatte. Sehr unsicher sei außerdem, wie sich wegen des Immobilienmarkts die Kreditvergabe der Banken entwickeln werde.

An den Finanzmärkten hatte das Brexit-Votum erhebliche Turbulenzen ausgelöst. Zahlreiche Experten erwarten, dass die britische Wirtschaft kommendes Jahr in eine Rezession rutscht.

Antwort aus der Bank of England erwartet

"Die erste Antwort auf diesen Schock muss von der Geldpolitik der Bank of England kommen", sagte Hammond. Die Notenbank hatte den Leitzins zunächst überraschend bei 0,5 Prozent gelassen. Nach den Sitzungsprotokollen der BoE ist eine Zinssenkung allerdings bei ihrem nächsten Treffen am 4. August wahrscheinlich, um eine Wachstumsschwäche abzufedern. Hammond unterstrich, die BoE habe bereits bekanntgegeben, dass sie an einem geldpolitischen Maßnahmenpaket arbeite. Neben einer Zinssenkung spekulieren Beobachter auch über eine Wiederauflage des Anleihenkaufprogramms – etwa im Infrastrukturbereich.

Hammond sagte, Großbritannien benötige zudem eine Strategie zum Umgang mit dem Staatsdefizit. Der Fehlbetrag im Haushalt liegt zurzeit bei vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts, nachdem er 2010 bei über zehn Prozent des BIP gelegen hatte. Hammond sagte, er werde seine Budgetpläne im Herbst vorlegen. Außerdem bekräftigte er das Ziel der Regierung, der britischen Finanzindustrie auch nach dem Brexit den Zugang zum EU-Markt zu erhalten. Einen Ausverkauf von Unternehmen werde es nicht geben.

Dass die neue Regierung noch in diesem Jahr in die konkreten Brexit-Verhandlungen mit den EU-Partnern einsteigt, wird immer unwahrscheinlicher. Ein Rechtsvertreter der Regierung sagte vor dem Obersten Gerichtshof Großbritanniens, der formelle Antrag nach Artikel 50 des EU-Vertrages werde nicht mehr 2016 gestellt. Dies gehe aus Äußerungen von Premierministerin Theresa May hervor, sagte der Anwalt Jason Coppell. Diese Einschätzung der neuen britischen Regierung könne sich aber noch ändern. Mit dem offiziellen Antrag beginnt eine zweijährige Frist, in der die Modalitäten des EU-Austritts ausgehandelt werden sollen. (APA, Reuters, 19.7.2016)