Marcel und Sascha Ruhm waren bei Nobu Matsuhisa in St. Moritz und auf Mykonos – jetzt haben sie ein Lokal in Wien-Wieden.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Paradeiser-Ceviche mit köstlich bissiger "Leche de tigre", der klassischen Salsa aus Limette, Amarillo-Chili, rotem Zwiebel und Koriander.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Nobu, das war ab den 1980er-Jahren die tollste Nummer der internationalen Gastronomie: Der via Peru aus Japan gebürtige Koch Nobu Matsuhisa hatte damals ein Promilokal in Beverly Hills und tat sich mit Stammgast Robert De Niro zusammen. Gemeinsam bauten sie eine globale Kette an Franchise-Nobelrestaurants mit diffus japanisch-peruanisch inspirierter Küche auf – viel Edelfisch, Jakobsmuscheln, Rindsfilet und allerhand Saucen auf Zucker-Soja-Zitrus-Chili- und/oder Trüffelpasten-Basis.

Das wurde weltweit zum Inbegriff gefälligen Bling-Bling-Foods und musste dementsprechend oft als Inspiration für sogenannte Lifestyle-Lokale herhalten – auch an extrem angesagten Wiener Adressen. Mehrfach war bereits eine Filiale in Wien angedacht, die Zugkraft des Konzepts könnte mittlerweile aber doch etwas überholt sein.

Dafür wird seit einem Monat in einem ehemaligen Beisl ums Eck in Wien-Wieden ein Aufguss dieser Küche serviert. Und zwar von zwei Brüdern aus Paudorf bei Krems, die in ihren Wanderjahren bei Nobu und beim Nobu-Spin-off Matsuhisa in St. Moritz beziehungsweise auf Mykonos gearbeitet haben. Marcel Ruhm, der die Küche überhat, war zuletzt schon im Kremser Blauenstein mit einem – zumindest anfangs – ähnlichen Konzept Küchenchef. Jetzt hat er sich mit Bruder Sascha selbstständig gemacht.

Das Lokal mit Kunststofftischen in Holzanmutung wurde "Dining Ruhm" genannt und mit einfachen Mitteln behübscht, Lampenschirme in Kupferoptik etwa oder kupferfarben angemalte Flaschen als Tischdeko. Es wäre aber falsch, den hatscherten Namen und die Diskonteinrichtung so zu interpretieren, dass man als Gast hier nicht auf seine Rechnung käme.

Die Ruhms haben bei Nobu gut aufgepasst, die Saucen, in denen die dünn aufgeschnittenen rohen Fische und Steaks zu liegen kommen, haben allesamt den berüchtigten Yummy-Effekt, der aus der Kombination aus Süße, reifen Umami-Noten von Sesam, Miso oder Sojasauce und frischer Zitrusfruchtigkeit resultiert. Wechselweise werden karamellisierter Knoblauch, Ingwer, die komplexen Aromen peruanischer Chilivarianten oder, wennschondennschon, die böse Geilheit von Trüffelpaste nachgeschoben: lauter Zeugs, mittels dessen sich die Schnittmenge von dem, was mehrheitlich als gaumenschmeichelnd wahrgenommen wird, potenzieren lässt.

Salsa-Overkill

Gemüse-Tempura mit Enoki-Pilzen, Paprika, Süßkartoffel, Frühlingszwiebel, Shiitake und – gar nicht schlecht – Avocado ist extrem knusprig, sehr gut frittiert, drei verschiedene Saucen (davon zwei auf Mayo-Basis) sind aber eindeutig ein Overkill. Beef Tataki mit Knoblauchchips und einer Salsa mit Zitronensaft, Reisessig, Sojasauce und Jungzwiebel zergeht auf der Zunge, beim Sashimi "Ruhm Style" werden Scheibchen von der Lachsforelle in Yuzu-Sojasauce gelegt und mit brennheißem Sesamöl beträufelt – mag auch so gut wie jeder.

Ebenso Spinatsalat mit gegrillten Shiitake-Pilzen und Trüffeldressing – den schaufelt man mit schuldbewusstem Vergnügen in sich hinein. Ungleich feingliedriger und interessanter: das Paradeiser-Ceviche (siehe Bild) mit köstlich bissiger "Leche de tigre", der klassischen Salsa aus Limette, Amarillo-Chili, rotem Zwiebel und Koriander.

Bei den Hauptspeisen geht es vergleichsweise konventionell zu – da werden Edelteile gegrillt und mit diversen Saucen serviert. Marginal spannender: der Jakobsmuschel-Wok mit allerhand knackigem Gemüse und Wasabi-Pfeffer-Sauce. Die Karte soll alle paar Wochen variiert werden. Wo noch deutlicher Verbesserungsbedarf besteht, ist das sehr simpel gestrickte Weinangebot. (Severin Corti, RONDO, 22.7.2016)