Potsdam – Zwischen dem Zeitpunkt ihrer Entstehung und der Abtragung von Gebirgen können enorme Zeiträume liegen: Das haben nun internationale Wissenschafter am Beispiel der argentinischen Anden nachgewiesen. Der Studie zufolge lag das Maximum der Hebung durch tektonische Verkürzung und damit der Gebirgsbildung in der Region zwischen zwölf und neun Millionen Jahren vor heute. Die höchsten Erosionsraten dagegen gab es vor rund sieben Millionen Jahren, also mit einer zeitlichen Verzögerung von zwei Millionen Jahren.

"Es ist sehr wichtig, diese Ergebnisse in dynamische Modelle der Gebirgsbildung zu integrieren", sagt Hella Wittmann, Koautorin der Studie vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ). "Wenn wir die ‚erosive Antwort‘ auf die Gebirgsbildung über lange Zeiträume quantifizieren können, dann eröffnet uns das neue Wege, um das Zusammenspiel von Tektonik und Klima zu verstehen – beides Faktoren, die die Landschaft unseres Planeten formen."

Für ihre in den "Earth and Planetary Science Letters" erschienene Studie untersuchten Forscher Sandstein-Aufschlüsse im Vorland der argentinischen Präkordillere. Das amerikanisch-deutsche Wissenschafter-Team der Syracuse und Indiana-Universitäten (beide USA) und des GFZs rekonstruierte anhand der Proben die Erosionsgeschichte des andinen Südamerikas um den 30. Breitengrad über die vergangenen acht Millionen Jahre. Die Wissenschafter nutzten dafür spezielle Formen von Beryllium (10Be) und Aluminium (26Al), so genannte kosmogene Nuklide.

Kosmogene Nuklide entstehen durch kosmische Strahlung in den obersten Metern des Erdbodens in allerdings sehr kleinen Mengen von nur wenigen Atomen pro Gramm Gestein und Jahr. Über Jahrtausende können sie sich ansammeln, solange Felsen freiliegen. Die Messung des Gehalts von 10Be und 26Al erlaubt daher einen Rückschluss auf die Erosionsraten von Gestein: große Mengen von 10Be zum Beispiel bedeuten, dass nur wenig Material abgetragen wurde. Sie finden sich in alten Kratonen. Rasch erodierendes Gestein weist dagegen nur wenige Atome von 10Be auf.

Zwei Modelle

Im Grunde genommen gibt es zwei Modelle, die erklären, wie Gebirgsbildung und Erosion miteinander zusammenhängen könnten. Auf der einen Seite steht die Überlegung, dass gewissermaßen zeitgleich mit der tektonischen Hebung Erosionsprozesse einsetzen, die wiederum aufgrund der Massenabtragung zu weiterer Hebung führen; die Auflast des Gesteins wird abgetragen, sodass Material von unten nachkommt. Ein anderes Modell, das mehr die Entwässerung in den Blick nimmt, sagt eine zeitliche Verzögerung vorher: Zunächst hebt sich ein Gebirge, es entstehen durch Regen und abfließendes Wasser Täler und Einschnitte mit Schwellen, an denen sich Wasserfälle bilden. Diese Schwellen werden durch rückschreitende Erosion langsam flussaufwärts verlagert.

Den Beobachtungen der Forsche zufolge erklärt sich die zwei Millionen Jahre währende Zeitspanne zwischen Gebirgsbildung und Abtragungsmaximum mit dem trockenen Klima in der Region: Es dauerte unter den semiariden Bedingungen so lange, bis der "Erosionspuls" über das Gewässernetzwerk und die Schwellen aufwärts wanderte. (red, 23.7.2016)