"In Afghanistan haben wir zwei Meter lange und noch größere Drachen steigen lassen", erinnert sich Mohammed an seine Jugend. Der mittlerweile 25-Jährige lebt seit knapp fünf Jahren in Österreich und wartet noch immer auf seinen Asylbescheid. "Das ist hart, so lange nicht zu wissen, wie entschieden wird – und was noch viel härter ist: nicht arbeiten zu dürfen", sagt er in perfektem Deutsch. Seine Augen offenbaren die Enttäuschung. "In den besten Jahren meines Lebens bin ich zum Nichtstun verdammt."

Das sich mittlerweile zum sechsten Mal jährende "Integrationsturnier" des Vereins "Afghanische Jugendliche – Neuer Start in Österreich" ist für ihn eines der Highlights des Jahres. "Hier treffe ich auf alte Freunde und lerne neue kennen", sagt er. Die Veranstaltung bietet heuer neben zwei Fußballturnieren und einem Schachwettbewerb auch ein Volleyballturnier an.

Mohammad ist schon früh mit seinem Fußballteam ausgeschieden. Dennoch bleibt er bis zum Ende des Turniers im Bezirkssportzentrum Brigittenau, besser bekannt unter dem Namen ASKÖ Brigittenau. "Der sportliche Wettkampf steht an diesem Wochenende nicht im Vordergrund. Viel wichtiger ist es, den neu angekommenen Flüchtlingen bei der Orientierung hier in Österreich zu helfen", so der afghanische Asylwerber.

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Den neuen Flüchtlingen helfen

Auch für die Veranstalter ist das der Hauptgrund, warum sie dieses Turnier veranstalten. "Unser Ziel ist es, den neu angekommenen afghanischen Flüchtlingen dabei zu helfen, hier ein Netzwerk aufzubauen, und ihnen zu erklären, worauf in Österreich besonders zu achten ist", sagt Shokat Ali Walizadeh, Obmann des Vereins. In einem freundschaftlichen Umfeld, wo gemeinsam Sport betrieben wird, funktioniere das sowieso am besten, ist sich Walizadeh sicher.

Während die Turniere im vollen Gang sind, bastelt Mohammad mit vielen anderen aus Ästen und Plastiksäcken Drachen. "Ich hoffe, es klappt." Er ist unsicher, ob seine Konstruktion flugtauglich ist. "Das Basteln an den Drachen verbindet, das hat jeder von uns früher in der alten Heimat bei Festen gemacht", erklärt er die Bedeutung des Drachenbastelns für die hier Anwesenden.

Andere holen sich durch das Schagai-Spielen ein wenig Heimat in ihr Gedächtnis zurück. "Schagai wird mit Schafsknochen gespielt. Es gibt sehr viele verschiedene Varianten des Spiels. Einige sind den unterschiedlichen Arten der Murmelspiele in Europa sehr ähnlich", sagt Ali.

Wenige Angebote für Mädchen

Die meisten Angebote beim Turnier sind an Jungs gerichtet. Sehr zum Ärger von Zahra. Sie hat gerade ihre Sportsachen gegen legere Sommerkleidung getauscht. "Mein Team ist leider vor kurzem beim Volleyballturnier ausgeschieden", zeigt sie sich enttäuscht. Die selbstbewusste 17-jährige HTL-Schülerin bleibt aber trotzdem in der Nähe der Volleyballanlage und feuert die Jungs, die noch spielen, an. Besonders traurig macht sie die Tatsache, dass sie das einzige Mädchen war, das mit den Burschen beim Turnier mitspielte. "Ich würde mir wünschen, dass mehr afghanische Frauen mit den Jungs Fußball oder Volleyball spielen und nicht nur bei traditionellen 'Mädchensachen' wie Henna-Malen mitmachen."

Viele Mädchen wären zu schüchtern und würden kaum von ihren Eltern ermutigt, sich sportlich zu betätigen. "Ich möchte als Vorreiterin zeigen, dass es auch für Mädchen Spaß machen kann, beispielsweise Volleyball zu spielen," so Zahra. Sie ist sich dessen bewusst, dass es Zeit braucht, traditionelle Rollen aufzubrechen. "Uns Frauen wird nichts geschenkt, wir müssen für unseren Platz in der Gesellschaft kämpfen. Die Dinge ändern sich nicht von heute auf morgen, mit Geduld und Hartnäckigkeit werden wir das schaffen", gibt sie sich kämpferisch. Von den Veranstaltern würde sie sich wünschen, dass diese von sich aus mehr Angebote für Mädchen schaffen.

Henna für Burschen

Aber auch einige Burschen zeigen sich mit den traditionellen Rollenbildern nicht zufrieden. So setzen sich einige Jungs nach dem Fußballturnier zu den Mädchen und lassen sich Henna auf ihre Hände malen. "Warum sollen das Burschen nicht auch machen?", fragt Mohammed. Er hätte auch kein Problem damit, mit Mädchen in einem Team zu spielen. "Warum denn auch?", fragt er.

Zakia, eine Schulkollegin von Zahra, findet, dass viele afghanische Männer ihr "Macho-Getue" langsam aufgeben. "Es geht nicht so schnell bei allen, aber viele erkennen, dass traditionelle Rollenklischees ihnen nicht guttun." Zahra überlegt, einen afghanischen Frauenverein zu gründen: "Würde mich freuen, wenn viele Frauen mitmachen würden, so könnten wir den neu ankommenden Flüchtlingen auch mit Frauenthemen bei der Integration helfen." (Siniša Puktalović, 20.7.2016)