Sigi Maron beim Fest für Arigona, Albin und Albona in Frankenburg, Juli 2010.

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Wien – Textlich konnte er ebenso brutal wie zärtlich sein. Selbst im Derben kommt es oft auf die feinen Unterschiede an. "In Oasch gehen" ist zum Beispiel wesentlich schlimmer als "am Oasch gehen". Das mag ein Tiroler jetzt nicht so verstehen, aber in Wien kennt man sich aus. Und "G‘schissana" oder "Gfrast" können bei entsprechend milder Betonung und im passenden Umfeld auf jeden Fall auch Kosewörter sein.

Obwohl Sigi Maron in Baden bei Wien lebte, war er der neben Georg Danzer wienerischste aller Wiener Liedermacher der alten Garde. Sigi Maron war ein zuverlässiger Garant dafür, dass auf der Bühne nicht anders gesungen als unten im Saal geredet wurde.

Abgesehen von seiner Kunst war Sigi Maron als zeitlebens überzeugter Kommunist und Atheist davon fest überzeugt, dass es ein gerechtes Leben vor dem Tod gibt. Es gibt nur eines, deshalb sollte man gewisse Probleme und Unbefindlichkeiten und überhaupt den ganzen Schas, dem man täglich ausgesetzt ist, nicht zu lange vor sich herschieben. Irgendwann ist Schluss. Und aus. Danach kommt nichts. Das Nichts ist sehr dunkel und endgültig.

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Liebe Leute: "Es gibt kan Gott." Nur Menschen. Sigi Maron konnte davon mehr als ein Lied singen. In den 1970er-Jahren wurde der in Krems in kleinen Verhältnissen geborene Sigi Maron bekannt als wütender Mann, dem die Verhältnisse stinken. Nach einer Kinderlähmung in jungen Jahren saß er zwar im Rollstuhl und war während langer Lebensphasen immer wieder von schweren Krankheiten gezeichnet, seinem Furor im Liedermachertum sollte das aber keinen Abbruch tun.

Vor genau 40 Jahren gelangte Sigi Maron im Rahmen der "Arena-Besetzung" des ehemaligen Schlachthofs St. Marx in Wien-Erdberg zu erster Bekanntheit. Damals fanden sich auf dem Debütalbum Schön is‘ das Leb‘n und auf dem 1978 veröffentlichten Nachfolger Laut & Leise Dialektlieder im Naheverhältnis zu Pop und Rock, die man in dieser Intensität noch nicht gehört hatte: Ballade von ana hartn Wochn (Leckts mi am Oasch), Mizzitant und Hausmasta dürften die heute noch bekanntesten sein: "I bin da Hausmasta und es Saugfrasta, schleichts eich aus da Wiesn!"

Der junge Maron singt "Leckts mi am Oasch".
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Sie zeugen vom Leben eines unerbittlichen Künstlers, der im Guten wie im Schlechten immer meinte, was er sagte. Bei allem privaten Kompromiss (und Maron war bis zu seiner Pensionierung und seinem legendären öffentlichen Abschiedsbrief als Buchhalter beim Plattenriesen BMG/Ariola tätig) schlug hier ein großes, festes Herz für die Unterdrückten und gegen die Ungerechtigkeit in dieser Welt.

Besonders großartig neben den meist ruppigen, alleine zur Gitarre vorgetragenen Protestsongs war seine Zusammenarbeit mit den Musikern des seelenverwandten britischen Kollegen Kevin Coyne auf Alben wie 5 vor 12 und Der Tag is net weit 1981 und 1982. Später folgte mit Unterm Regenbogen etwa eine Kollaboration mit Konstantin Wecker.

Manchmal drang durch all seine Unerbittlichkeit auch eine Zärtlichkeit selbst in der Zeit geschuldeten Anti-Atom-Liedern wie Triabes koides Wossa durch, die tatsächlich Gänsehaut verursachte. Und neben all den bekannten Aufsässigen-Hymnen konnte Sigi Maron wunderbare Liebesleider schreiben, etwa De Spur von dein nokatn Fuass. Andreas war als Eindeutschung des italienischen Kriegsdramas Andrea von Fabrizio De André schließlich der von Sigi Maron kongenial zärtlich-wütend gesungene Über-Hit. Er schaffte es völlig unerwartet in die Ö3-Hitparade ebenso wie Marons eigene, als Liebeslied missverstandene Selbtmörderballade Geh no net furt von 1985.

Wütend und zärtlich

Sigi Maron konnte, wer ihn jemals erlebt hat, weiß Gott wütend sein. Nicht immer zu seinem Vorteil. Einen kurzen Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie verdankte er in den frühen 1980er-Jahren seinem legendären Protest gegen den damaligen Ö3-Boykott, die Musik kritischer Liedermacher zu spielen. Er pinkelte gegen das Funkhaus.

Erinnerungen: 2013 sang Sigi Maron für den STANDARD.
derStandard.at

Nach einer krankheitsbedingten 14-jährigen Zwangspause, in der Maron nur selten auftrat, meldete er sich 2010 gemeinsam mit neuer Begleitband, den Rocksteady Allstars, zurück. Das Album und der Titelsong nannten sich Es gibt kan Gott. Maron wetterte darauf gegen Schlechtes, Rechtes, die Banken, die Hirntoten – und für das Gute. Jemand muss das tun. Das Gute muss nämlich siegen: "Ohne Hoffnung im Herzen kaunst net lebn. Irgendwo muass's a Zukunft gebn."

Sigi Maron, dieser große österreichische Liedermacher, ist am Montag nach erneuter schwerer Krankheit gestorben. Er wurde 72 Jahre alt. (Christian Schachinger, 20.7.2016)