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Roboter "Pepper" in einem belgischen Krankenhaus. Dass Roboter tatsächlich den Durchbruch im Pflegebereich erleben, darf bezweifelt werden.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Wir befinden uns in einem Zeitalter eines in diesem Ausmaße noch nie dagewesenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels. Das Internet verändert die Art, wie wir arbeiten, leben und damit auch, wie wir denken, grundsätzlich. Doch während man in einigen Staaten den Zeitgeist erkannt hat und die Bevölkerung auf das neue Zeitalter vorbereitet, scheint Österreich in Wirtschafts- und Kulturpessimismus versunken zu sein. Was muss getan werden, um den Standort Österreich zu einem Gewinner der Digitalisierung zu machen?

Die Angelobung des neuen Bundeskanzlers Christian Kern ließ eine Woge des Enthusiasmus durch das Land ziehen. Endlich jemand aus der Wirtschaftswelt, ein Macher, einer, der Probleme anpackt und nicht nur durch Parteiarbeit an die politische Spitze gekommen ist. Zwar mag dies alles durchaus zutreffen, doch eines von Kerns ersten Statements als Kanzler verlieh der Freude über Veränderung einen abrupten Dämpfer.

Kontraproduktive Verteilungspolitik

Als Antwort auf die Automatisierung von Produktionsvorgängen und den dadurch verursachten Verlust von Arbeitsstellen schlägt er eine "Maschinensteuer" vor – mit dem zu befürchtenden Effekt der Abwanderung hochtechnologisierter Unternehmen und damit eines weiteren "Braindrains", der bereits jetzt beunruhigende Ausmaße angenommen hat. Statt auf kontraproduktive Verteilungspolitik zu setzen, sollte man der Bevölkerung ermöglichen, sich mit den benötigten Fähigkeiten ausstatten. Denn dieser radikale Wandel kann auch eine Chance sein.

Vorbild Estland

Wie man es macht, zeigt das EU-Mitglied Estland. Der kleine Staat aus dem Baltikum hat schnell erkannt, dass das Internet nicht nur ein nützliches Werkzeug ist, sondern die Zukunft der Menschheit bestimmen wird. Das Recht auf freie Internetnutzung wurde in der estnischen Verfassung verankert, was mit einem flächendeckenden Wi-Fi-Zugang im gesamten Land einhergeht. Behörden- und Arztgänge sind zudem vollständig digitalisiert, und Kinder lernen schon in der ersten Schulklasse zu programmieren. Die Chancen für die estnische Wirtschaft sind dadurch enorm. Trotz der geringen Einwohnerzahl von nur 1,3 Millionen Menschen entwickelte sich Estland innerhalb kürzester Zeit zu einem international angesehenen Hotspot der Tech-Start-up-Szene und hat Branchengrößen wie den Videotelefoniedienst Skype hervorgebracht.

Und Österreich?

Wo aber sollte Österreich anfangen, um Anschluss an die Pioniere der Digitalisierung zu finden? In erster Linie ist es wichtig, IT-relevante Fächer in sämtlichen Schulstufen und Schultypen einzuführen. Je früher Kinder lernen, ihre Smartphones, Tablets und Computer zu verstehen und als Werkzeug zu nutzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich immer mehr dazu entscheiden, einen beruflichen Weg in der Tech-Branche einzuschlagen.

Der zweite wichtige Faktor ist das Fördern von Selbstständigkeit und Kreativität durch neue Lehrmethoden in der Schule, aber auch in Seminaren und Workshops für Arbeitnehmer. Um in Zukunft ausreichend Arbeitsplätze zu sichern, braucht es mehr Menschen, die den Mut finden, eine Idee in die Tat umzusetzen. Das schafft Unternehmen und Arbeitsplätze. Und nicht nur das: Auch österreichische Großkonzerne benötigen Mitarbeiter, die sich durch Vorschläge wie etwa den, Prozessabläufe zu optimieren, auszeichnen. Standardisierte Denkaufgaben gehören aufgrund moderner Software bekanntlich ebenfalls der Vergangenheit an.

Der Mensch bleibt einzigartig

Doch was ist mit den Menschen, die bereits voll im Leben stehen, ihre Ausbildung abgeschlossen haben, die als Verlierer dastehen könnten? Auch hier sollten Optimismus und Tatendrang die Antwort sein. Wenn körperliche und standardisierte Arbeit in einer Branche nicht mehr benötigt wird, muss man auf andere ausweichen, in denen der Mensch der Maschine nach wie vor überlegen ist.

So leidet unsere leistungsbasierte Gesellschaft immer mehr unter psychischen und sozialen Problemen. Der Staat und vor allem die großen Player der Wirtschaft sollten daher daran interessiert sein, neue Jobs für das soziale Wohlergehen der Bevölkerung zu schaffen. Etwa indem man mehr Sozialarbeiter einstellt. Auch in der Kranken- und Altenpflege ist die soziale Komponente so relevant, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass Pflegeroboter tatsächlich den prophezeiten Durchbruch erleben werden. Eine weitere wachsende Dienstleistung könnte die Lebensberatung sein, die darauf abzielt, Menschen zu helfen, die für sie persönlich optimalen Entscheidungen zu treffen.

Revolution des Bildungssystems

Man sieht also, dass die Digitalisierung dazu beitragen kann, den Wirtschaftsstandort Österreich und die Situation der Bevölkerung zu verbessern und für das Wohlergehen aller zu sorgen. Voraussetzung dafür ist allerdings der Wille der Politik sowie der reichen Oberschicht und allen voran eine wirkliche Revolution des Bildungssystems. Wir müssen weg von einer auf pure Leistung basierten Schulbildung hin zu einem System, das Kreativität und weitsichtiges Denken fördert. Wenn wir als Gesellschaft diese Aspekte in Angriff nehmen, wird der digitale Wandel für Österreich zur Erfolgsgeschichte. (Sharif Shehata, 2.8.2016)