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Am 29. Juli ist Welthepatitistag: Das Hepatitis-C-Virus schlummert lange Zeit unbemerkt im Körper, hat aber das Potenzial, die Leber zu zerstören.

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Für den Hepatologen Markus Peck-Radosavljevic sind alte Therapien passé.

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STANDARD: Die direkt antiviralen Hepatitis C-Medikamente wirken, sind aber teuer. Wer wird momentan geheilt, für wen gibt es die Therapie auf Krankenschein?

Markus Peck-Radosavljevic: Das hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab. Es gibt insgesamt vier Abstufungen: Patienten mit der leichtesten Form erhalten keine Therapie auf Krankenschein. Ab Fibrosegrad 2 werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen.

STANDARD: Was heißt Fibrosegrad 2?

Peck-Radosavljevic: Das ist ein Messwert, der über die Biopsie oder ein nicht-invasives Verfahren bestimmt wird. Ein Patient merkt einen Fibrosegrad 2 nicht, denn die Erkrankung ist lange Zeit ohne Symptome. Zur Veranschaulichung: Ein Fibrosegrad 4 ist gleichzusetzen mit einer Leberzirrhose. Alles davor spürt der Patient nicht. Eine Veränderung im Fibrosegrad zeigt vor allem, dass die Krankheit fortschreitet. Es gibt relativ viele Hepatitis C-Patienten, deren Erkrankung stagniert. Etwa 70 Prozent entwickeln keine schwere Lebererkrankung.

STANDARD: Es gibt verschiedenen Virenstämme. Können mit der neuen Therapie sämtliche Genotypen von Hepatitis C geheilt werden?

Peck-Radosavljevic: Der Genotyp 3 ist etwas schwieriger zu behandeln. Hier liegen die Heilungsraten bei 90 Prozent. Bei allen anderen Formen wird eine Erfolgsquote von über 95 Prozent erreicht. Patienten, die einen ungünstigen Genotyp und eine Zirrhose haben, können zu etwa 80 Prozent geheilt werden.

STANDARD: Welchen Stellenwert hat die alte Interferonbasierte Therapie noch?

Peck-Radosavljevic: Diese Therapie hat meiner Meinung nach keine Relevanz mehr.

STANDARD: Lassen sich durch die antivirale Therapie mehr Menschen auf Hepatitis C testen?

Peck-Radosavljevic: Nein, soweit ich das beurteilen kann. Es lassen sich aber wesentlich mehr Patienten behandeln. Es gibt relativ viele Erkrankte, die von ihrer Hepatitis C-Infektion wissen, aber die Therapie abgebrochen haben. Oder sie ließen sich von den möglichen Nebenwirkungen so abschrecken, dass sie mit der Behandlung erst gar nicht beginnen wollten. Viele von diesen Patienten sind nun in Therapie.

STANDARD: Was kosten die Medikamente derzeit?

Peck-Radosavljevic: Nach dem Kodex kostet die 12-wöchige Therapie zwischen 45.000 und 50.000 Euro. Das ist mit Sicherheit nicht der Preis, den die Österreichischen Sozialversicherungen dafür zahlen. Es gibt einen Deal mit einem der Anbieter, de facto existieren dazu aber keine offiziellen Zahlen.

STANDARD: Ursprünglich gab es die Therapie ab Fibrosegrad 3 auf Krankenschein. Mittlerweile erhalten auch Patienten in einem früheren Stadium die Therapie. Liegt das am neu verhandelten Preis?

Peck-Radosavljevic: Es ist eher umgekehrt: Die Erweiterung von Fibrosegrad 3 auf 2 fand voriges Jahr im Sommer statt. Dadurch ließ sich der Preis besser verhandeln. Die Kosten werden zukünftig noch weiter sinken, da voraussichtlich Anfang 2017 ein neuer Mitbewerber auf den Markt kommt, der die bisherigen Preise unterbieten muss.

STANDARD: Wird es die Therapie für alle Hepatitis C-Patienten geben?

Peck-Radosavljevic: Ich schätze, dass mittelfristig auch Betroffene mit Fibrosegrad 1 die Therapie erhalten werden. Denn die gegenwärtige Situation ist doch etwas seltsam: Es gibt eine chronische Erkrankung, die heilbar ist, aber ein nicht unbeträchtlicher Anteil erhält diese Therapie nicht. Das Risiko für einen unmittelbaren gesundheitlichen Schaden der Patienten ist zwar gering, aber es darf nicht vergessen werden, dass sie auch potenzielle Viren-Überträger sind. Wenn ich den Pool an Infizierten verkleinern will – was das Ziel eines Gesundheitssystems sein muss – dann sollten alle die Therapie bekommen.

STANDARD: Gibt es derzeit auch Selbstzahler?

Peck-Radosavljevic: Österreicher kaum, hauptsächlich Patienten aus Osteuropa. Meistens aus Russland, der Ukraine oder Rumänien.

STANDARD: Wie viele nicht diagnostizierte Hepatitis-C-Fälle gibt es in Österreich?

Peck-Radosavljevic: Schätzungen zufolge sind in Österreich 30 bis 40 Prozent der Infektionen nicht diagnostiziert. Etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung haben eine chronische Hepatitis C.

STANDARD: Könnte das Hepatitis C-Virus ausgerottet werden?

Peck-Radosavljevic: Die WHO hat sich zum Ziel gesteckt, Hepatitis C bis zum Jahr 2030 weltweit zu eliminieren. In der industrialisierten Welt sollte das absolut möglich sein.

STANDARD: Woran könnte es scheitern?

Peck-Radosavljevic: Das Hauptproblem ist, alle Virus-Träger zu identifizieren. Hier gibt es beispielsweise in Österreich noch keine systematischen Maßnahmen. Das Unterfangen ist zugegebenermaßen nicht einfach, denn ein Screening der Gesamtbevölkerung rechnet sich bei einer Erkrankungshäufigkeit von 0,3 Prozent nicht. Modellberechnungen haben ergeben, dass die Prävalenz mindestens 0,84 Prozent betragen muss, damit es sich auszahlt, sämtliche Einwohner zu untersuchen. Am wichtigsten wäre es, Risikogruppen wie etwa HIV-Suchtpatienten zu erreichen. Diese zählen jedoch nicht zu den Menschen, die man mit einer Bewusstseinsbildungskampagne leicht zur Untersuchung motivieren kann. (Günther Brandstetter, 23.7.2016)