Offiziell will es die US-Regierung weder bestätigen noch dementieren – doch es ist ein offenes Geheimnis, dass auf dem von der Nato für Einsätze in Syrien und dem Nordirak genutzten türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik zumindest 50 Atombomben lagern.
In Dokumenten des US-Verteidigungsministeriums werden diese lediglich als "special weapons" aufgeführt.
Die Freifallbomben vom Typ B61 wurden ab 1968 in Europa stationiert. Durch die Lagerung der Wasserstoffbomben in Nato-Mitgliedsstaaten erhoffte man sich damals, die Gastgeberländer davon abhalten zu können, eigene Atomwaffen zu entwickeln. Heute gehen Experten davon aus, dass außer in der Türkei Depots in Deutschland, Italien, Belgien und den Niederlanden bestehen.

Die Bomben blieben im Besitz der US-Streitkräfte, die auch für deren Bewachung verantwortlich sind, andere Nato-Mitglieder beschafften dafür Flugzeuge, die die Waffen an ihr Ziel bringen können.
Türkische Jets können Atombomben abwerfen
Auch die Türkei verfügt über Kampfjets der Typen F16 und F4, die dafür geeignet wären. Die F16-Mehrzweckkampfflugzeuge waren auch beim gescheiterten Putschversuch am Wochenende im Einsatz und sollen einen Hubschrauber regierungstreuer Einheiten abgeschossen sowie das Parlament in Ankara bombardiert haben.
Unterstützt wurde die Putschisten-Luftwaffe dabei von einem in Incirlik gestarteten Tankflugzeug, das die F16 in der Luft auftankte, sodass sie die ganze Nacht im Einsatz bleiben konnten.
Incirlik-Kommandant festgenommen
Am Samstag ließ die türkische Regierung die Luftwaffenbasis im Süden des Landes abriegeln, die Stromversorgung wurde abgedreht. Am Sonntag wurde Stützpunktkommandant General Bekir Ercan Van festgenommen.
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Dass die Luftwaffe eines Nato-Mitgliedsstaates Bomben auf dessen Hauptstadt wirft, verunsicherte die Bündnispartner: Die Putschisten hätten auch versuchen können, die in Incirlik gelagerten Atombomben in ihren Besitz zu bringen. Zwar sind die Systeme mit Codes und Sperrmechanismen gesichert, aber diese gelten als nicht unüberwindlich.
US-Außenminister John Kerry erklärte am Montag in Brüssel, dass er die Entwicklung der Demokratie in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch beobachte. "Es gibt ganz offensichtlich Anforderungen der Nato bei der Achtung der Demokratie", sagte Kerry. "Die Nato wird sehr sorgfältig bewerten, was (in der Türkei) passiert."
In den USA mehren sich angesichts der Lage in der Türkei Stimmen, die einen Abtransport der Atombomben aus Incirlik fordern. Diese seien dort nicht mehr sicher, argumentiert Abrüstungsexperte Jeffrey Lewis im Magazin "Foreign Policy".
Bereits während der Zypern-Krise 1974 zogen die USA ihre Atomwaffen aus Griechenland ab und beauftragten Spezialeinheiten, die in der Türkei gelagerten nuklearen Waffensysteme unbrauchbar zu machen.
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Ex-Nato-Oberkommandierender James Stavridis plädiert hingegen dafür, sich der Kooperation Ankaras zu versichern, indem man die türkischen Streitkräfte mit Satellitenbildern, neuen Aufklärungsflugzeugen und Geheimdienstinformationen im Kampf gegen radikale Kurdengruppen unterstützt. Das sei ein wichtiges Signal an die Türkei, dass die USA im Kampf gegen Terrorismus an ihrer Seite stehen, scheibt der Ex-Admiral, der als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat Hillary Clintons gehandelt wird. (Bert Eder, 21.7.2016)