Der Faktor "Geschlecht" im Zusammenhang mit Diabetes Typ 2 wird von immer größerer Bedeutung, meinen Forscher der MedUni Wien.

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Wien – Die Welt teilt sich in Frauen und Männern. Auch was das Risiko für bestimmte Krankheiten betrifft. Diabetes Typ 2 ist so ein Fall. Deshalb sollte auch die Behandlung zunehmend geschlechtsspezifisch und damit personalisiert werden, wie Forscher der MedUni Wien betonen.

Alexandra Kautzky-Willer und Jürgen Harreiter von der Universitätsklinik für Innere Medizin verfassten deshalb eine systematische Übersichtsarbeit über die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Entwicklung von und Erkrankung an Diabetes Typ 2.

Das Ergebnis: Männer haben grundsätzlich ein höheres Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken, Frauen sind unter anderem durch die erhöhte Ausschüttung des Hormons Östrogen lange "geschützt" – bis es in der Menopause zu einer hormonellen Umstellung kommt und dieser Schutz abflaut.

Das Risiko für die Männer ist zumeist auch erhöht, weil sie mehr Bauchfett und mehr Leberfett haben und eine niedrigere Insulinempfindlichkeit aufweisen, auch wenn sie nicht übergewichtig sind. Ein Testosteronmangel gilt als weiterer Risikofaktor, während bei Frauen ein höherer Anteil männliche Sexualhormone mit einem gesteigerten Erkrankungsrisiko im Zusammenhang steht.

Fettpolster ist nicht gleich Fettpolster

"Dagegen wurde gezeigt, dass das Fett an den Oberschenkeln, das bei den Frauen genetisch und Östrogen-bedingt häufiger ist, sogar schützend wirken kann. Andererseits hat bei ihnen der Bauchumfang eine bessere Diabetes-Voraussagekraft als bei Männern", sagt Kautzky-Willer. "Bei Frauen führen außerdem psychosozialer Stress und Stress im Job sowie mangelnde Entscheidungskompetenz bei großem Arbeitsdruck oder Schlafmangel häufiger zu Diabetes als bei Männern. Oft auch verstärkt durch Gewichtszunahme." Dafür sind Männer mehr gefährdet, später Diabetes zu entwickeln, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft unter Mangelernährung gelitten haben.

Auch bei den Biomarkern, die helfen können, frühzeitig das Diabetes-Risiko zu erkennen, gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: So sind das von der Leber gebildete Protein Fetuin-A sowie Copeptin (ein im Hypothalamus gebildetes Prohormon; Anm.), und der Neurotransmitter Proneurotensin vielversprechende Biomarker bei Frauen, aber nicht bei Männern. Hier gilt das Hormon Leptin, das chemische Botschaften aussendet, das Essen einzustellen und Energie aus den Speichern, etwa Fettdepots, zu gewinnen, als starker Biomarker.

Umwelteinflüsse als Risikofaktoren für Diabetes

"Immer bedeutsamer werden auch endokrine Disruptoren, also hormonaktive Stoffe", betont Jürgen Harreiter. So wurde in Studien gezeigt, dass etwa synthetisch hergestellte Substanzen wie Bisphenol A oder Phatalate, die in vielen Kunststoffartikeln enthalten sind, als Risikofaktoren für Diabetes gelten. – Auch hier gibt es auch altersabhängig bei Männern und Frauen unterschiedliche Effekte.

Zudem konnten die Forscher geografische Unterschiede ausmachen: So erkranken immer mehr Frauen in Ozeanien, Süd- und Zentralasien sowie im Mittleren Osten an Diabetes, wogegen die Erkrankung immer mehr Männer in reicheren Gegenden der Asien-Pazifik-Region betrifft, aber auch in Mitteleuropa. (red, 21.7.2016)