Es ist ein ziemlich steiles Festival, auch topografisch gesehen: Der Walserherbst sucht sich seit 2004 alle zwei Jahre die berglerischsten Bühnen im Großen Walsertal für zeitgenössisches Kulturschaffen aus. Da wird dann in Viehunterständen der Hochalm Spitzegga neun Tage und neun Nächte lang zum Musik-Happening geladen oder weit über der Baumgrenze Brauchtum gepflegt.

Eine der drei kulturhistorischen Wanderungen im Rahmen von "Walserherbst" führt zur Alpe Steris.
Foto: Biosphärenpark Großes Walsertal

Mehr als 50 Almen – auf Alemannisch heißt das Alpen – sind in diesem Tal und in Damüls noch bewirtschaftet. Viele der Senner haben – dieses Jahr zwischen dem 19. August und dem 11. September – kein Problem damit, wenn bei ihnen temporär europäisches Autorenkino oder Sufi-Drehtänzer einziehen. So ganz aus der Luft gegriffen ist das Festivalmotto "Weitsicht" also nicht, der Vorarlberger Älpler gibt sich betont kosmopolitisch.

Kulturraum für Senner und Schauspieler

Auf kulturhistorischen Wanderungen erfährt man auch, wie die Walser im 14. Jahrhundert die Almen urbar machten oder wie Senner der Alpe Steris (Foto) die beschwerliche alpine Landwirtschaft ins Heute herübergerettet haben – also jenen Kulturraum, den heuer junge Maler wie der in Afghanistan geborene Zaker Soltani für Ausstellungen nutzen oder Schauspielerin Maria Hofstätter für eine Lesung. In Prosa und Lyrik wird sie die Frage stellen: Sind wir nicht alle irgendwann stehengeblieben, obwohl wir schon als Kinder das Vorwärtsgehen erlernt haben? Kein schlechtes Thema für eine Biennale, die man sich erwandern muss. (saum, RONDO, 25.7.2016)