Carl Manner: "Ich hoffe, ich habe das aus mir herausgeholt, was in mir drin war."

Heribert Corn

STANDARD: Sie sind nie ohne Ihren Airedale Terrier anzutreffen. Wo ist er denn heute geblieben?

Manner: Er wartet im Büro. Genau genommen dürfte ich den Hund ja nicht in den Betrieb mitnehmen.

STANDARD: Airedale Terrier gelten doch als klug und freundlich?

Manner: Der Hund wär eh in Ordnung, ob es die Vorschriften sind, weiß ich nicht.

STANDARD: Begleitet er Sie nach wie vor in die Berge?

Manner: Die Berge, die ich besteige, sind recht klein geworden. Da kann der Hund locker mitgehen.

STANDARD: Wegbegleiter erzählen, dass sie Gipfel bloßfüßig in ungeheurem Tempo erklimmen.

Manner: Das war einmal, als ich ein bisserl widerstandsfähiger war.

STANDARD: Sie halten Manner seit mehr als 60 Jahren zusammen und in Familienbesitz. Sind Sie dessen nie müde geworden?

Manner: Als Integrationsfigur habe ich wenigstens etwas zu tun.

STANDARD: Familien wachsen schneller als Unternehmen. Ihre Mitglieder gehen sich oft gegenseitig aus dem Weg. Das ist ja wie – bitte verzeihen Sie den Vergleich – einen Sack Flöhe zu hüten...

Manner: Das Flöhehüten bin ich gewohnt. Natürlich kann man nicht alle behalten, die den Namen tragen. Und ich kann nicht jemanden, der schlecht ausgebildet ist und kein Interesse an der Firma hat, genauso wichtig nehmen wie jemanden, der sich bemüht.

STANDARD: Über Ihr Wirken hinaus gehört Manner wechselseitig verschränkten Stiftungen. Nach dem Motto: Alle verkaufen oder keiner.

Manner: Diese Parole ist nie ausgegeben worden. Irgendwann kann es natürlich auseinander fliegen. Das kann ich nicht verhindern – ich versuche es halt, so weit es in meinen und den gesetzlichen Möglichkeiten steht. Mein Großvater wollte, dass Manner in Familienhand bleibt.

STANDARD: Sie haben vier gleichberechtigte Vorstände. Warum verzichten Sie auf einen Vorsitzenden?

Manner: Das wäre ein besonderes Hervorheben. Wir haben keinen Diktator. Ich hatte zwar den Vorsitz, aber nur 15 Jahre lang. Ich hoffe, ich habe nichts Dummes diktiert in diesen Jahren.

STANDARD: Nur einer von vier Vorständen kommt aus der Familie. Warum haben Sie sich gegen Familie im Management entschieden?

Manner: Wer Vorstand ist, sollte einigermaßen tüchtig und gescheit sein. Der Maßstab, der angelegt wird, ist hoch. Es ist also durchaus möglich, dass die Geeignetsten für die Besetzung dieses Postens nicht Manner heißen.

STANDARD: Gibt es wirklich keine fähigen Nachfolger aus der Familie?

Manner: Doch, es gibt ein, zwei junge Leute, die strebsam genug sind, um sich um Manner zu bemühen. Aber es ist Teamwork, die Leute müssen sich zusammenreden, es soll keine Eifersüchteleien geben.

STANDARD: Was macht für Sie einen guten Manager aus?

Manner: Was man braucht, ist soziale Einstellung. Das ist sehr wesentlich. Und psychologische Begabung, die unersetzlich ist. Es hilft nichts, wenn jemand tüchtig ist, aber nicht weiß, wie er es seinen Mitarbeitern beibringen soll.

STANDARD: Braucht es in Zeiten wie diesen nicht auch eine harte Hand?

Manner: Die harte Hand ist die berühmt-berüchtigte kapitalistische Zusperrerei. Wir sind momentan in der Lage, dass wir einen kleinen Zweigbereich schließen müssen. Das hat uns viel Kopfzerbrechen bereitet. Wir haben 400 Unternehmen angeschrieben, die ihn übernehmen könnten, damit die Arbeitskräfte weiterarbeiten können – letzten Endes waren wir erfolgreich. Der Familienbetrieb Hochreiter wird dort Toastbrot produzieren, mit bis zu 200 Mitarbeitern.

STANDARD: Die Süßwarenbranche wird mittlerweile von internationalen Multis dominiert. Manner ist einer der letzten Einzelkämpfer.

Manner: Es ist Jahrzehnte her, dass wir uns von internationalen Konzernen hätten abhängig machen können. Wir haben einige Jahre lang eine gewisse Zusammenarbeit mit der Firma Nestlé gepflogen. Aber das passt net zusammen. Das ist eine andere Denkweise.

STANDARD: Warum haben Sie nie außerhalb Österreichs zugekauft?

Manner: Wo sollen wir das Geld hernehmen für internationale Unternehmen, die drei Mal so groß sind wie wir? Unser Familienzusammengehörigkeitsgefühl verhindert es. Und es wäre nicht gut für unseren Ruf. Es ist ein ähnlicher, wie ihn Österreich hat: Bescheiden sein, aber still und heimlich doch ein bisserl was erreichen.

STANDARD: Wie wichtig ist es Ihnen, Manner an der Börse zu halten?

Manner: Wichtig ist übertrieben. Es gehört zu unserem Ruf dazu. Aber dass ich traurig wäre, wenn wir nicht mehr an der Börse wären, davon kann keine Rede sein.

STANDARD: Hört man hier in der Zentrale in Hernals stets auf Sie?

Manner: Manchmal ja, manchmal nicht.

STANDARD: Sie fahren nach wie vor täglich in die Fabrik, nehmen dafür nicht die Dienste eines Chauffeurs in Anspruch...

Manner: Ich bewege mich dabei ja nur innerhalb von Hernals. Dass ich im Finsteren nicht mehr gern spazieren fahre, möchte ich nicht bestreiten, aber den Weg hierher finde ich schon.

STANDARD: Jede Bilanz geht durch ihre Hände. Man sagt Ihnen nach, dass sie ein brillianter Kopfrechner sind.

Manner: Gewesen, das funktioniert auch nicht mehr so gut. Ich rechne – und dann komm ich drauf, es war falsch. Aber ich schau mir Zahlen auch jetzt noch an. Schaue, was verkauft wurde und wohin. Wenn sie schlechter ausfallen, muss man das den betreffenden zuständigen Herren halt schonend beibringen.

STANDARD: Sie gelten als streitsüchtig ...

Manner: Streitsüchtig?

STANDARD: .... wenn es um die Oper geht.

Manner: Ach so, um die Oper. Ja, da bin ich intolerant. Wenn sie nicht das spielen, was ich will, bin ich unzufrieden.

STANDARD: Sind Sie Wagnerianer?

Manner: Nein, im Unterschied zu den meisten Opernbesuchern nicht. Ich bin aufgewachsen unter dem Hitler. Der hat verschiedene Sachen für gut und schlecht erklärt. Das würde ich mir nicht gefallen lassen.

STANDARD: Ihr Vater soll Angst gehabt haben, dass das nichts wird mit Ihnen als Unternehmer.

Manner: Ja weil ich zu oft in die Oper gerannt bin. Einmal habe ich es geschafft, einen ganzen Monat dort zu verbringen. Mein Vater war eher technikbelastet, er hat daraus geschlossen, dass ich ein Künstler werde. Aber zum Künstler reichte es bei mir bei Weitem nicht.

STANDARD: Sind Sie sich da sicher?

Manner: Ich bin von der Veranlagung her ein musischer Mensch und kein Kaufmann. Und ich bin nicht so unmusikalisch, dass ich glauben würde, meine Begabung reiche für die Musik aus. Das sind ernstzunehmende Berufe, die ähnlich wie bei Sportlern Spitzenleistungen hervorbringen. Ich hätte das, setzt man strenge Maßstäbe an, nie und nimmer geschafft. Aber man sollte auch bei der Musik ein bisserl tolerant sein. Da muss ich mich halt bemühen, wie beim Schnittenerzeugen.

STANDARD: Ihr Spitzname zu Ihrer Jugendzeit war Schokerl. Darf Sie heute noch jemand so nennen?

Manner: Die Klassenkollegen, die ich noch habe, es sind leider nicht mehr sehr viele. Schokerl kommt daher, weil die Firma "Schokolade Manner" in Österreich-Ungarn geheißen hat. Die Schnitten kamen alle erst später.

STANDARD: Sie haben Mathematik und Physik studiert. War für Sie der Weg in die Firma Manner dennoch von Anfang an vorgezeichnet?

Manner: Eigentlich ja. Und es wäre ja dumm gewesen, hätte ich nicht diese Karriere angestrebt, die relativ leicht ist. Da braucht es nichts Neues zu erfinden, sondern nur zu versuchen, Ware darauf abzuklopfen, ob sie etwas bringt oder nicht.

STANDARD: Warum haben Sie nie auf dem Societyparkett getanzt? Auch in Klatschspalten stand nie etwas über Sie geschrieben.

Manner: Das ist meine Schuld. Ich habe mich eher versteckt, meine Kollegen aus der Jugendzeit haben wesentlich mehr im Image getan.

STANDARD: Sie haben auch nie geheiratet...

Manner: Ich kenne viele Damen, mit denen ich gut bin. Aber darüber hinaus wollte ich nicht gehen. Ich bin ein schüchterner Mensch, da gewöhnt man sich vieles ab. Aber, dass ich mich nicht schrecke, wenn Sie zu mir kommen und mich ausfratscheln, das habe ich gelernt. (schmunzelt)

STANDARD: Wem geben Sie ihr Wissen weiter?

Manner: Ich hoffe, dass ich es weitergeben kann. Meine Familie ist ja in diesem Haus verstreut. Was ich versäumt habe, ist selbst eine Familie zu gründen. Das ist ein negativer Punkt, zu dem ich stehen muss.

STANDARD: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben?

Manner: Ich konnte das tun, was mir sympathisch war, und ich konnte das Fach studieren, das mir gelegen war. Vielleicht sagen manche Leute, ich bin etwas bescheiden in meinen Ansprüchen. Das ist nicht wahr. Ich wünsche mir, dass es Manner noch besser geht. Es geht uns gut, doch ich kann es mir noch besser vorstellen. Aber ich bin ein zufriedener Mensch. Und ich hoffe, ich habe das aus mir herausgeholt, was in mir drin war. (Verena Kainrath, 24.7.2016)