PRO: Schatten über dem Amt

von Petra Stuiber

Österreich ist ein Rechtsstaat. Kein Staatsanwalt kann einen Bürger anklagen, weil ihm gerade danach ist oder er eine anonyme, denunziatorische Anzeige erhalten hat. Eine Anklage muss gut abgesichert sein, erst dann kommt es zum Prozess. Wer nun meint, just im Falle eines Politikers liefen die Dinge anders, kennt Österreich nicht. Gerade wenn "Promis" involviert sind (siehe Causa Grasser), geht die Justiz besonders lange auf Zehenspitzen. Die Top-Team-Affäre rund um den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), bei der es um die Verschiebung von 140.000 Euro an eine SPÖ-nahe Werbeagentur geht, ist keine Ausnahme.

Wenn manche meinen, Kaiser sollte, obwohl mehrfach angekündigt, im Falle einer Anklage doch nicht zurücktreten, weil die Unschuldsvermutung bis zur Verurteilung gelte, redet nur der unterentwickelten österreichischen Rücktrittskultur das Wort. Selbstverständlich wirft eine Anklage einen Schatten auf die betreffende Person – und damit auch auf das Amt, das diese bekleidet. Schon aus Gründen demokratischer Hygiene ist in dem Fall ein Rücktritt unerlässlich.

Es ist zwar langsam fad, aber man blicke einmal mehr nach Deutschland: Dort ist etwa im April Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) zurückgetreten, weil er einmal, 2010, einen Lieferwagen des Ministeriums ausgeborgt hat und ins Visier der Opposition geraten ist. Seine Begründung: Er wolle das Amt nicht beschädigen. (Petra Stuiber, 22.7.2016)

KONTRA: Eine Anklage ist kein Urteil

von Gerald John

Peter Kaiser will supersauber sein. Erhebt die Staatsanwaltschaft gegen ihn Anklage wegen Untreue, hat der Kärntner Landeshauptmann für sich selbst die Höchststrafe vorgesehen: den Rücktritt.

Kaisers Versprechen fußt auf einem hehren Anspruch. Bewusst wollen sich die Kärntner Genossen von der windigen FPK-BZÖ-Partie und ihren vielen Affären abheben. Doch vor lauter Tugendhaftigkeit droht Kaiser sich und das Land in eine Situation hineinzutheatern, in der am Ende erst recht die Freiheitlichen triumphieren könnten.

Wie auch immer man die Causa Top Team – es geht um angeblich veruntreutes Landesgeld – bewerten mag: Es ist ein überzogenes Moralverständnis, ein eingeleitetes Gerichtsverfahren ohne Wenn und Aber als Rücktrittsgrund zu definieren. Ein Staatsanwalt ist kein Richter, eine Anklage kein Schuldbeweis, dafür sind im Rechtsstaat Urteile vorgesehen. Anklagen müssen zwar vom Gericht zugelassen werden, aber ein Verdacht bleibt trotzdem bloß ein Verdacht – auch wenn dieser gut begründet ist.

Das heißt nicht, dass kein Würdenträger jemals zurücktreten sollte, ehe ihn ein Richter verurteilt; die Welt sah schon genug Politiker, die sich ganz ohne jedes Verfahren den Abgang verdient hatten. Es kommt eben auf den Fall und die Umstände an, die Bewertung liegt im Auge des Betrachters. Der Automatismus "Anklage führt zu Rücktritt" läuft nur auf eines hinaus: eine Vorverurteilung. (Gerald John, 22.7.2016)