Dramatische Minuten und Stunden im Olympia-Einkaufszentrum, das von Polizeieinheiten geräumt wurde.

Foto: AFP PHOTO / STR

München/Wien – Freitagabend ist die Lage vor dem Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München von grellem Licht, tosendem Lärm und Hektik geprägt. Die Blaulichter der Polizeifahrzeuge blinken überall, die Sirenen jaulen durch die Luft. Noch immer sollen sich, so berichtet ein Reporter des Bayerischen Rundfunks (BR), Menschen in der großen Shoppingmall im Norden der Stadt aufhalten, die evakuiert werden müssen. Sie hätten sich im Lager eines Bekleidungsgeschäfts versteckt, die Luft werde stickig und dünn.

Der Anschlag, das Attentat, der Amoklauf – wie immer man es zu diesem weiterhin unklaren Zeitpunkt bezeichnen mag – ist da schon seit drei Stunden vorüber. Vor einem McDonald's-Restaurant gegenüber des OEZ wurde gegen 18 Uhr plötzlich geschossen, verlautete zunächst vage. Später hieß es: Drei Täter mit Gewehren sollen wahllos auf Menschen geschossen und neun Menschen getötet sowie zahlreiche weitere verletzt haben. Erst gegen 2.30 Uhr teilte die Polizei in einer eilig einberufenen Pressekonferenz mit, es habe sich um einen Einzeltäter gehandelt.

Bahnhof evakuiert

München wird binnen kurzer Zeit abgeriegelt, bewegungsunfähig gemacht. Denn der Täter ist geflohen. Auch der Hauptbahnhof wird gesperrt und evakuiert. Kein Zug fährt mehr, der gesamte Schienenverkehr wird auf Bahnhöfe in der Region umgeleitet.

Die Menschen sollen Plätze meiden, warnt die Polizei. Sie sollten am besten gar nicht hinausgehen, sondern zu Hause bleiben. Es gibt wilde Berichte über weitere Schießereien im Zentrum, am Stachus und am Isartor, die aber dementiert werden. München steht still, München ist unter Schock, in München herrscht Alarmzustand.

Autofahrer werden aufgefordert, die Autobahnen vor München freizuhalten. Viele Ausfallstraßen sind abgeriegelt. Die Krankenhäuser rufen Ärzte und Pflegepersonal an ihre Arbeitsstätten – falls es weitere Opfer zu behandeln gibt. Die Polizei spricht von einer "Amoklage", einem "Sonderfall", einer "akuten Terrorlage". Nicht nur über dem OEZ, auch über der Innenstadt kreisen Polizeihubschrauber. Im Internet, in den sozialen Netzwerken machen wildeste Spekulationen die Runde. Die Polizei ruft dazu auf, das bleiben zu lassen, weil es die Arbeit noch weiter erschwert.

Manche Menschen haben Probleme, aus der Stadt nach Hause zu kommen, deshalb werden auf Twitter "offene Türen" gemeldet – wo Leute, die gestrandet sind, übernachten können. Das Hotel Vier Jahreszeiten macht ebenso mit wie die Staatskanzlei.

Spät am Abend wird eine zehnte Leiche gefunden. Mitten in der Nacht gibt die Polizei "vorsichtige Entwarnung". Bei der nahe dem Einkaufszentrum gefundenen Leiche handelt es sich "mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Täter, der nach jetzigem Ermittlungsstand allein agiert hat". Eine knappe Stunde dann später die Gewissheit: Der Täter war ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, der nach Angaben der Polizei "schon länger in München" gelebt hat – in jener Stadt, die er durch seine Tat in einen Ausnahmezustand geriet. (Patrick Guyton aus München, 22.7.2016)