Auf einer Pro-Erdogan-Demo am Taksim Platz in Istanbul werden Fotos vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hochgehalten.

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Istanbul – Nach dem Putschversuch in der Türkei soll am Sonntag auf Initiative der größten Oppositionspartei des Landes eine Demonstration für Demokratie stattfinden (17.00 Uhr). Zu der Kundgebung hat die Republikanische Volkspartei (CHP) aufgerufen, die regierende AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdogan schloss sich dem Aufruf allerdings an.

Regierungschef: Präsidentengarde wird aufgelöst

Die türkische Präsidentengarde aufgelöst werden. Die Elitetruppe werde nicht mehr gebraucht, sagte der türkische Regierungschef Binali Yildirim am Samstagabend dem Sender A Haber. Am Freitag war mitgeteilt worden, dass im Zusammenhang mit dem Putschversuch Haftbefehl gegen 300 Mitglieder der Präsidentengarde erlassen wurde.

Polizeigewahrsam ohne Anklage

Nach der Ausrufung des Ausnahmezustands in der Türkei hat die Regierung die Dauer des zulässigen Polizeigewahrsams auf 30 Tage ausgedehnt. Am Samstag wurde ein Dekret veröffentlicht, wonach Verdächtige künftig ohne Anklage bis zu 30 Tage festgehalten werden dürfen. Gewöhnlich beträgt die Höchstdauer vier Tage.

Laut Präsident Recep Tayyip Erdogan wurden seit dem gescheiterten Militärputsch vor einer Woche 11.000 Menschen in Gewahrsam genommen.

Das Dekret ordnet zudem die Auflösung von tausenden Institutionen an, die zur Hizmet-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören. Erdogan macht Gülen für den versuchten Umsturz verantwortlich, was dieser bestreitet. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf das Dekret meldete, werden 1043 Privatschulen, 1229 Vereine oder Stiftungen, 19 Gewerkschaften und Verbände und 35 Gesundheitseinrichtungen geschlossen.

Gülens Neffe festgenommen

In der Zwischenzeit wurde Gülens Neffe von türkischen Sicherheitskräften festgenommen. Muhammet Sait Gülen sei im osttürkischen Erzurum, der Heimatgegend der Familie Gülens, in Gewahrsam genommen worden, berichtete der staatliche Sender TRT am Samstag.

Ausnahmezustand erlaubt Dekrete

Des weiteren weist das Dekret die Entlassung sämtlicher Staatsbediensteter an, bei denen festgestellt wurde, dass sie zu "Terrororganisationen oder Organisationen, Strukturen oder Gruppen" gehören, "bei denen festgestellt wurde, dass sie gegen die nationale Sicherheit handeln". Die Betroffenen könnten nicht länger im Staatsdienst beschäftigt werden oder direkt oder indirekt für diesen arbeiten. Die Regierung betrachtet die Hizmet-Bewegung als Terrororganisation.

Der am Mittwochabend ausgerufene dreimonatige Ausnahmezustand erlaubt der Regierung, per Dekret zu regieren. Seit dem gescheiterten Militärputsch vor einer Woche ordnete die Regierung die Entlassung, Suspendierung oder Versetzung von rund 55.000 Staatsbediensteten an, darunter angeblich am Putsch beteiligte Soldaten, Polizisten, Justizbeamte und Regierungsmitarbeiter, aber auch zehntausende Universitätsdozenten, Dekane und Lehrer.

Zahl der Asyl-Anträge aus Türkei steigt

Angesichts der immer stärkeren Repressalien in der Türkei durch Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Gefolgsleute erwarten Experten, dass die Zahl der Flüchtlinge aus dem euro-asiatischen Land in näherer Zukunft stark ansteigen könnte. Schon im ersten Halbjahr 2016 zeigte sich in Österreich ein Plus bei den Asyl-Ansuchen.

166 Anträge zählte das Innenministerium, wodurch die Türken erstmals seit längerem wieder zu den 15 stärksten Flüchtlingsgruppen zählten. Zum Vergleich: 2014 waren im Gesamtjahr nur 203, und im Jahr darauf bloß 221 Anträge verzeichnet worden. Freilich ist man heuer von Werten Anfang des neuen Jahrtausends noch weit entfernt. 2002 wurden beispielsweise 3.561 Asyl-Anträge verzeichnet, womit die Türken unter den stärksten Nationen lagen. (APA, 23.7.2016)