Wien – Die Vorstandsvorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, richtet einen Appell zu mehr Miteinander und Konstruktivität an die Ärztekammer. Sie habe mehrmals das Angebot an die Kammer gerichtet, "setzen wir uns an einen Tisch und finden wir gemeinsam Lösungen". Es sei aber noch nicht zu konstruktiven Gesprächen gekommen, sagte Rabmer-Koller im APA-Interview.

Die Hauptverbands-Chefin hat den Verdacht, dass die Ärztekammer-Wahlen im März 2017 dafür verantwortlich sind: "Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Ärztekammer schon ein bisschen im Wahlkampfmodus steckt."

Rabmer-Koller hegt auch die Vermutung, dass dies mit ein Grund für die stockenden Verhandlungen über das geplante Gesetz für die neue Primärversorgung (PHC-Gesetz) ist. Sie appelliert an alle handelnden Personen, "wirklich das Patienteninteresse in den Mittelpunkt zu stellen." Manchmal spiele "sehr viel Interessenspolitik" mit.

Die langwierigen Verhandlungen über das Gesetz verzögern auch die Einführung der Primärversorgung. Rabmer-Koller gesteht zu, dass man "weit entfernt" von dem Ziel sei, bis zum Jahresende ein Prozent der Bevölkerung mit Primärversorgungszentren bzw. zu schaffenden Netzwerken von bestehenden Einrichtungen zu versorgen. Mit der Primärversorgung und den dort geplanten längeren Öffnungszeiten sollen auch die Spitäler und Ambulanzen entlastet werden. Rabmer-Koller hofft zwar, dass der Ausbau rasch gelingt, bis dahin könnten aber bereits über verstärkte Kooperationen von mehreren niedergelassenen Ärzten mit anderen Gesundheitsdienstleistern die Betreuung der Patienten verbessert und Öffnungszeiten verlängert werden.

Die Hauptverbands-Chefin bekräftigt auch die Forderung nach mehr Geld für den von der Sozialversicherung finanzierten niedergelassenen Bereich, der ausgebaut werden soll, um die Zahl der Spitalsbetten zu reduzieren. "Wir brauchen zusätzlich finanzielle Mittel, um diese Struktur aufbauen zu können." Sie hofft, dass in den derzeit laufenden Verhandlungen über einen neue Finanzausgleich das Prinzip "Geld folgt Leistung" umgesetzt wird. Die Gespräche seien konstruktiv und Rabmer-Koller geht davon aus, dass auch den Ländern klar ist, dass der niedergelassene Bereich ausgebaut werden muss, wenn er Aufgaben aus den Spitälern übernehmen soll.

Die angekündigte Effizienzstudie über die Sozialversicherungen ist bisher noch nicht beauftragt. Das Sozialministerium sei mit möglichen Partnern im Gespräch. Fertiggestellt soll die Studie jedenfalls bis zum Ende des ersten Quartals 2017 sein. Sie hätte sich gewünscht, dass dies schneller erfolgt, sagte Rabmer-Koller. Da sie von der Regierung in Auftrag gegeben wird, geht Rabmer-Koller davon aus, dass die Empfehlungen auch umgesetzt werden. Zum Einwand, dass es viele Studien gebe, die nicht umgesetzt wurden, meinte die Hauptverbands-Chefin: "Ich bin Optimistin und angetreten, um Veränderungen zu bewirken. Ich werde auch die Umsetzung einfordern." Es dürfe aber nicht bei der Sozialversicherung aufhören, das gesamte Gesundheitssystem müsse sich weiterentwickeln. Zur Frage nach einer möglichen Zusammenlegung von Trägern stellte sie fest: "Ich bin offen für jegliche Reformvorschläge, wenn sie auch wirklich Sinn machen und die Effizienz steigern."

Teil der Studie sollen auch Möglichkeiten zur Harmonisierung der unterschiedlichen Leistungen der einzelnen Krankenkassen sein. Im Hauptverband wurden dazu schon Arbeitsgruppen eingerichtet. Rabmer-Koller geht es dabei nicht darum, alle Leistungen nach oben oder nach unten zu bringen, sondern das Gesamtsystem zu überarbeiten und zu modernisieren. Auf die Frage nach einem möglichen Durchgriffsrecht auf die einzelnen Träger zur Umsetzung der Harmonisierung, erklärte die Hauptverbands-Chefin, man müsse die Entscheidungsprozesse analysieren, um zu sehen, wie man das Nötige auch umsetzen kann.

Nicht verstehen kann Rabmer-Koller den massiven Widerstand der Ärztekammer gegen das Mystery Shopping, weil man klar kommuniziert habe, dass es auf keinen Fall schikanöse Kontrollen oder Strafen geben soll, sondern wirklich nur um schwarze Schafe gehe, welche das System missbrauchen. Es gehe auch nicht um ein Hinterfragen von Diagnosen, sondern nur um Kontrolle, ob z.B. Krankschreibungen ohne Untersuchung stattfinden. Es müsse klar sein, dass Sozialmissbrauch kein Kavaliersdelikt sei. Rabmer-Koller verwies auch darauf, dass sich nur die Ärzte beschwert hätten, einbezogen würden aber alle Vertragspartner. (APA, 24.7.2016)