Tausende demonstrieren in Istanbul.

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Istanbul – In Istanbul haben am Sonntagabend tausende Anhänger und Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan gemeinsam demonstriert. Die sozialdemokratische Oppositionspartei CHP hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Die Regierungspartei AKP, deren Anhänger bereits seit Tagen zu Zehntausenden auf die Straße gehen, schloss sich dem Aufruf an.

Die Demonstranten schwenkten gut eine Woche nach dem gescheiterten Putschversuch auf dem Taksim-Platz unzählige türkische Fahnen. Daneben dominierten Porträts des Republikgründers Mustapha Kemal Atatürk, der ein laizistisches Staatskonzept verfolgte. "Wir verteidigen die Republik und die Demokratie", "Die Souveränität gehört ohne Vorbedingungen dem Volk", "Nein zum Staatsstreich – Ja zur Demokratie", hieß es auf Transparenten.

Es gab nur wenige Slogans, die sich direkt gegen die AKP richteten. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP hörte den Ausruf "Dieb, Mörder, AKP". Ein starkes Aufgebot der Sicherheitskräfte war im Einsatz.

Laut Informationen aus kirchlichen Kreisen sind bei "Treuekundgebungen" für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan seit dem Putschversuch vom 15. Juli christliche Gotteshäuser in Mitleidenschaft gezogen worden. Die katholische Marienkirche in Trabzon (Trapezunt) an der Schwarzmeerküste sei gestürmt worden. Das berichtete Kathpress am Montag.

Amnesty: Hinweise auf Folter

Amnesty hat nach eigenen Angaben "glaubwürdige Hinweise" auf Misshandlungen und sogar Folter von festgenommenen Verdächtigen. Die Organisation forderte die Türkei am Sonntag auf, unabhängigen Beobachtern Zugang zu allen Einrichtungen zu gewähren, in denen die mehr als 13.000 Verdächtigen festgehalten würden. Die türkische Regierung wies die Vorwürfe vehement zurück.

"Die Idee, dass die Türkei, ein Land, das die Mitgliedschaft in der EU anstrebt, das Gesetz nicht respektiert, ist absurd", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. "Wir weisen die Vorwürfe kategorisch zurück und ermutigen Lobbygruppen zu einer unparteiischen Darstellung der rechtlichen Schritte, die gegen Menschen ergriffen werden, die fast 250 Zivilisten kaltblütig ermordet haben." Erst am Samstag seien 1.200 Soldaten aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden.

"Extrem alarmierend"

Der Europa-Direktor von Amnesty International, John Dalhuisen, sagte einer Mitteilung zufolge: "Berichte von Misshandlungen inklusive Schlägen und Vergewaltigung in Polizeigewahrsam sind extrem alarmierend." Die Regierung müsse diese "abscheulichen Praktiken" sofort stoppen.

Amnesty kritisierte auch das am Samstag erlassene Dekret von Erdogan. Der erste Erlass unter dem am Donnerstag verhängten Ausnahmezustand erlaubt unter anderem, dass Behördenvertreter bei Treffen von Verdächtigen und Anwälten anwesend sind und dabei Ton- oder Videoaufnahmen machen. Dokumente, die zwischen Festgenommenen und Anwälten ausgetauscht werden, können beschlagnahmt werden. Amnesty bemängelte, dass das das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren unterlaufe. (APA, 24.7.2016)