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1980: Ein Boot voller kubanischer Flüchtlinge setzt im Süden Floridas an. Binnen Wochen sind damals 100.000 Kubaner in die USA gezogen.

Foto: ap / adams

Wien – Die Karibikinsel Kuba lockt derzeit nicht nur zigtausende Touristen an, sondern hilft auch dabei, die Auswirkungen der hohen Zuwanderung nach Österreich vom Vorjahr besser zu verstehen. Dafür muss man aber ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit zurück. Genau das hat eine nun in ihrer Endversion veröffentlichte Studie getan.

Seit der Machtübernahme von Fidel Castro 1959 sind mehr als eine Million Kubaner vor dem repressiven Regime in die USA geflohen. So viele wie innerhalb einiger weniger Wochen 1980 sollten es aber bis heute nie wieder sein. Die kubanische Wirtschaft schaffte es nicht, genügend Jobs und Wohnungen zu schaffen. Nach Protesten gab Castro den Hafen von Mariel für die Ausreise frei. Zwischen April und Juni sind mehr als 100.000 Kubaner, seither "Marielitos" genannt, nach Florida geflohen. Der Großteil der Flüchtlinge hat sich daraufhin im Großraum Miami angesiedelt.

Schulabbrecher im Fokus

Sie brachten kaum eine Ausbildung mit, zwei von drei Bootsflüchtlingen waren Schulabbrecher. George Borjas, einer der renommiertesten Migrationsökonomen und selbst in seiner Kindheit aus Kuba in die USA migriert, nahm das zum Anlass für eine Studie. Er wollte wissen, was das für die Löhne der Schulabbrecher in der Region Miami hieß. Immerhin jeder Vierte im erwerbsfähigen Alter hatte 1980 dort ebenfalls die Schule abgebrochen.

Zu welchen Ergebnissen kam Borjas also? Die Löhne von schon länger in Miami lebenden männlichen Schulabbrechern sind je nach Lesart innerhalb von einigen Jahren um mindestens zehn beziehungsweise bis zu 30 Prozent gefallen. Bei einem Gehalt von 1.200 Dollar kommt das Lohneinbußen von 120 bis 360 Dollar gleich. Die Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung waren also enorm.

Rasche Integration

Die Integration dürfte aber rasch geklappt haben, viele fanden Anschluss bei der bereits vorhandenen kubanischen Community in der Gegend. Einem Bericht der "New York Times" aus dem Jahr 1990 zufolge haben fast alle zugewanderten Kubaner Jobs gefunden.

Was bei Borjas für Verwirrung sorgt: Die Löhne der schon länger in Miami lebenden Schulabbrecher sind nach zehn Jahren wieder auf ihr altes Level gestiegen. Das widerspreche der gängigen Theorie, dass die Löhne einige Jahre nach einer Zuwanderungswelle allgemein wieder schneller steigen, für die am stärksten betroffene Gruppe aber langsamer.

Lehren für Österreich

Aber was lässt sich aus der Studie nun für Österreich lernen? Wenn Borjas recht hat, könnten durch die Zuwanderung von fast 90.000 Menschen im Vorjahr auch die Lohneinbußen für Geringqualifizierte in Österreich stärker ausfallen als bisher gedacht. Eine Studie der Donau-Uni Krems und von EcoAustria schätzt, dass die Löhne von Menschen mit wenig formaler Bildung in Österreich bis 2020 um drei Prozent niedriger sein werden als ohne Flüchtlinge.

Wer dann also 1200 Euro verdient, verliert im Monat so 40 Euro. Das Papier wurde aber geschrieben, als die Balkanroute noch nicht geschlossen war. Die Ökonomen haben mit deutlich mehr Asylwerbern kalkuliert. Drücken die Migranten aber ähnlich wie in Miami auf die Löhne, dürften die monatlichen Einbußen 40 Euro noch einmal deutlich übersteigen.

Stärker sinkende Löhne

Eine Berechnung des STANDARD kommt nach der Borjas-Methode für Wien auf ein theoretisches Minus für Geringqualifizierte von 50 bis 150 Euro. Weil die Mindestlöhne in Österreich aber höher sind als in den USA, dürfte sich das eher in stagnierenden Löhnen zeigen als in Kürzungen des oft ohnehin niedrigen Salärs.

Der Ökonom George Borjas betont seit Jahren, dass Ökonomen und Medien die Nachteile von Migration herunterspielen. Zwar würden Unternehmen und Besserverdiener, die Dienstleistungen von Migranten in Anspruch nehmen, profitieren. Geringqualifizierte seien aber die Verlierer, weil sie mit den Zuwanderern am Jobmarkt in Konkurrenz stehen. (Andreas Sator, 26.7.2016)