Ein neuer Partner kann die Selbstwahrnehmung der Kinder negativ beeinflussen, hat eine Langzeitstudie gezeigt.

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Berlin – Die Überzeugung eines Menschen, über sein Leben selbst bestimmen zu können, heißt in der Psychologie "Kontrollüberzeugung". Um herauszufinden, wie sich instabile Familienkonstellationen auf diese Selbstwahrnehmung von Jugendlichen auswirken, haben Forscherinnen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Daten von knapp 1.000 Heranwachsenden analysiert, die zwischen 2001 und 2012 im Rahmen der Langzeitstudie SOEP befragt wurden.

In Ihren Analysen berücksichtigten die Wissenschafterinnen auch andere mögliche Ursachen für den Verlust der "Kontrollüberzeugung". Dadurch konnten ausgeschlossen werden, dass die gefundenen Effekte etwa auf Faktoren wie Veränderungen im Einkommen der Familie, die Persönlichkeit oder die formale Bildung der Eltern zurückzuführen sind.

Als Indikator für eine verringerte Stabilität der Familienbeziehung werteten die Forscherinnen einen Partnerwechsel, in diesem Fall der Mutter. – Wenn etwa nach einer Trennung der Eltern ein neuer Mann in den Haushalt einzog und sich dadurch die Beziehungskonstellation änderte. Um die Kontrollüberzeugung zu messen, analysierten die Forscherinnen Angaben der Befragten über ihre Einstellungen zum Leben und zur Zukunft.

Mehrfacher Partnerwechsel mit Folgen

Konkret handelte es sich dabei um die Frage, ob die Probanden glauben, dass es von ihnen selbst abhängt, wie ihr Leben verläuft. Ein weiteres Item war die Frage danach, ob Erfolg im Leben in erster Linie eine Frage von Schicksal oder Glück sei.

Das Ergebnis der Studie: 15 Prozent der befragten Jugendlichen hatten im Alter zwischen zwei und 17 Jahren einen Partnerwechsel der Mutter miterlebt. Sechs Prozent haben diese Erfahrung mehrfach gemacht. Im Alter von 17 Jahren waren diese Jugendlichen insgesamt betrachtet signifikant weniger davon überzeugt, selbst über ihr Leben bestimmen zu können als andere.

"Wenn die betroffenen Kinder und Jugendlichen diese Erfahrung nur einmal gemacht haben, wirkte sich das noch nicht auf ihre Kontrollüberzeugung aus", sagt Katharina Spieß, Co-Autorin der Studie. "Bei Kindern, die zwei Mal oder häufiger Veränderungen in der Familienkonstellation erlebt haben, verringerte sich dagegen das Gefühl, selbst über ihr Leben bestimmen zu können."

Langfristige Effekte

Auch das Alter, in dem Kinder die veränderten Familienverhältnisse erleben, dürfte einen Einfluss auf die Kontrollüberzeugung haben: Bei den befragten Jugendlichen, die im Alter zwischen zehn und 17 Jahren Instabilität in den familiären Beziehungen erleben mussten, verringerte sich die Kontrollüberzeugung stärker als bei denen, die diese Erfahrung in jüngeren Jahren – im Alter zwischen zwei und neun Jahren – gemacht hatten.

Die Effekte seien vergleichbar mit den Auswirkungen einer erlebten Arbeitslosigkeit der Mutter, die ebenfalls dazu führt, dass Jugendliche schicksalsgläubiger werden, betonen Studienautorinnen. Zudem kann eine verringerte Kontrollüberzeugung auch langfristige Folgen haben. So haben andere Studien gezeigt, dass Arbeitslose mit einer geringeren Kontrollüberzeugung länger als andere suchen, bis sie einen neuen Job gefunden haben.

Die Autorinnen empfehlen daher, dass Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen in der Entwicklung ihrer nicht-kognitiven Fähigkeiten besonders unterstützt werden, wenn sich ihre Eltern trennen. "So werde nicht nur die Persönlichkeit gestärkt, sondern es können auch indirekt und langfristig Ausgaben für Arbeitsmarkt, Bildung und Gesundheit verringert werden", sagt Katharina Spieß. (red, 26.7.2016)