Window – ein Wort mit skandinavischem Migrationshintergrund.

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Am Startbildschirm von Windows 10 ist unschwer zu erkennen, dass der Markenname "Fenster" heißt.

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Vermittler zwischen Innen und Außen, durchlässig für das Zwischenmenschliche, das sind unsere Augen, die gerne als Fenster zur Seele bezeichnet werden. Diese Metapher spielt auf den Körper als unsere Behausung an. Der Bezug zwischen Augen und Fenster zeigt sich auch in der umgekehrten Richtung. Denn die Vorstellung, wonach Fenster als Augen eines Gebäudes gesehen wurden, spiegelt sich wider im altnordischen Wort vindauga (Windauge) und lebt heute noch fort in dänisch vindue, norwegisch vindu und neuenglisch window.

Ebenfalls eine Augenmetapher für Fenster bietet gotisch auga-daurô (wörtlich: Augentür). Im 8. Jahrhundert wird das heimische altenglische ēag-duru (Augen-Tür) durch fenester (wahrscheinlich durch etruskische Vermittlung aus lateinisch finestra) ersetzt. Das Lehnwort hält sich bis Mitte des 16. Jahrhunderts, aber bereits um 1200 bekommt es Konkurrenz von window, einem Wort mit skandinavischem Migrationshintergrund.

Mit dem Beinamen Microsoft wird Windows fast 800 Jahre später ein Betriebssystem für PCs. Wer hätte vor 100 Jahren gedacht, dass wir mit einem Mausklick Fenster auf einem Bildschirm öffnen, vergrößern, verkleinern, verschieben und wieder schließen können ...

Die ovale Form des Auges gibt auch den Ausschlag für die Fensterform, die Ochsenauge heißt und seit der Antike beliebt ist und besonders im Barock und Jugendstil verbreitet war.

Unser Fenster (mittelhochdeutsch venster "Lichtluke") leitet sich ebenso wie niederländisch venster, schwedisch fönster, italienisch finestra, französisch fenêtre aus lateinisch fenestra ab. Während die Etyma in den romanischen Sprachen Feminina sind, hat das Fenster im Deutschen, Schwedischen und Niederländischen das Genus gewechselt und ist zum Neutrum geworden.

Fenster erfüllen zahlreiche Funktionen. Durch sie fallen Licht und Sonnenschein ins Innere des Hauses, sie gewähren Ausblick und sind Schutz gegen Lärm und Luftzug. Gegen Wind schützt das Fenster besonders in Spanien, denn ventana leitet sich von lateinisch ventus "Wind" ab.

Portugiesisch janela tanzt (lexikalisch) aus der Reihe. Es ist ein Diminutiv von lateinisch iānua "Haustür, Tor, Öffnung, Eingang", das wiederum zu Janus zu stellen ist, dem doppelgesichtigen Gott der Türen, Tore und Durchgänge, des Anfangs und des Endes. Nach ihm ist auch der Jänner, der erste Monat des Jahreskreises, benannt. Der Jänner öffnet uns also dem Wortsinn nach die Tür zum neuen Jahr.

Zugegeben, der Jänner wartet mit unwirtlichen Temperaturen auf und bietet nicht gerade das ideale Wetter fürs Fensterln. Das Fensterln ist heutzutage eh aus der Mode gekommen, zum einen, weil sich die Moralvorstellungen gelockert haben, und zum anderen, weil jungen Menschen heute, speziell im städtischen Bereich, keinerlei Schranken auferlegt werden und sie mehr oder weniger unbefangen Zweisamkeit und Intimität genießen können. Außerdem, wer hätte nach einem anstrengenden Arbeitstag heute noch Zeit fürs Fensterln?

Wir leben in einer so hektischen Zeit, und die Zeitfenster für Entspannung und Muße sind knapp bemessen. Jahrhundertelang war jedoch das Fensterln besonders im süddeutschen Raum auf dem Land und in Bergregionen Österreichs ein beliebter Bauch, der vor allem der Brautwerbung diente. Laut Internetquellen war das Brauchtum bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein lebendig. Stramme Burschen lehnten, sobald die Dämmerung hereingebrochen war, eine Leiter an die Hauswand und kletterten zur Angebeteten hoch, indem sie durchs Fenster in deren Schlafkammer einstiegen.

Zeitfenster lassen sich sperrangelweit öffnen an sogenannten Fenstertagen. Berufstätige nehmen sich gerne den Zwickeltag frei, um ein verlängertes Wochenende zu genießen. Über zwei Fenstertage kann man sich in diesem Kalenderjahr noch freuen: Maria Empfängnis (8. Dezember) fällt heuer auf einen Donnerstag und Allerheiligen (1. November) auf einen Dienstag. Da Fenstertage die Zeit zwischen einem Feiertag und dem Wochenende überbrücken, nennt man sie in Deutschland Brückentage, und auch in Italien heißen sie ponti (Singular: il ponte), im Englischen nennt man sie bridging days.

Manche nutzen die Fenstertage für einen Kurzurlaub, etwa einen Städteflug mit dem/der Liebsten und optieren beim Einchecken für einen Fensterplatz (window seat1). Andere wieder gehen in Ruhe shoppen oder machen nur einen Schaufensterbummel (window-shopping2).

Wie gesagt, Zeitfenster sind wichtig. Warten wir nicht auf Fenstertage! Nehmen wir uns zwischendurch immer Zeit dafür, was unsere Seele braucht, egal ob's Gartenarbeit ist, gemütliches Brunchen mit Freunden, dem Fenstergucker im Stephansdom guten Tag sagen oder Fenster putzen ...

Übrigens, haben Sie Windows 10 vor Ablauf der Gratis-Update-Frist heruntergeladen? (Sonja Winkler, 1.8.2016)