1963 erhielt der Physiker Stephen Hawking die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Er ist mittlerweile 74 Jahre alt.

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Zürich/St. Gallen – Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sterben nach und nach die Nervenzellen ab, mit denen die Muskeln gesteuert werden. Betroffene verlieren die Fähigkeit, sich zu bewegen. Eine neue Markersubstanz für bildgebende Verfahren könnte nicht nur bei der Erforschung der bisher unheilbaren Krankheit helfen, sondern auch den Weg zu Medikamenten weisen, wie Wissenschafter der Eidgenössische Technischen Hochschule Zürich (ETH) mitteilen.

Forschende der ETH Zürich haben gemeinsam mit Experten des Kantonsspitals St. Gallen und des Universitätsspitals Zürich einen sogenannten PET-Marker entwickelt, der es erlaubt, das Fortschreiten der Muskelkrankheit zu beobachten. Dieser Marker heftet sich an krankheitsspezifische Strukturen im Körper an und lässt sich per Positronen-Emissions-Tomografie (PET) abbilden.

Andockstelle für Cannabis

Die neue Markersubstanz lagert sich an einer Andockstelle für Cannabis-Inhaltsstoffe an, den Cannabinoid-Rezeptor 2, wie die ETH mitteilte. Dieser Rezeptor komme vor allem in entzündetem Nervengewebe vor, so auch im zentralen Nervensystem von ALS-Patienten. Das Fortschreiten der Krankheit ließe sich so per PET nachverfolgen.

Eine besondere Herausforderung war es, den PET-Marker so zu gestalten, dass er sich nur an diesen spezifischen Rezeptor bindet und nicht an den nahe verwandten Cannabinoid-Rezeptor 1, erklärt Studienleiter Simon Ametamey von der ETH. Der Rezeptor 1 kommt auch im Gehirn gesunder Menschen vor und vermittelt die schmerzlindernde und berauschende Wirkung von Cannabis.

Möglicher Grundstein für Medikamente

Klinische Studien beim Menschen stehen zwar noch aus, die Forschenden hoffen jedoch, dass die Markersubstanz helfen wird, ALS und vielleicht auch weitere Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder multiple Sklerose besser zu erforschen und zu verstehen. Auch diese neurodegenerativen Erkrankungen gehen mit einer Entzündung des Nervengewebes einher.

Die Markersubstanz kann aber nicht nur helfen, wichtiges Grundlagenwissen über diese Krankheiten zu schaffen. Sie könnte auch die Basis für neue Arzenimittel legen: Substanzen, die an den Cannabinoid-Rezeptor 2 binden, wirken im Körper entzündungshemmend. "Es wäre somit denkbar, verwandte Moleküle als Medikament in der Therapie von ALS einzusetzen", sagt Ametamey.

ALS rückte im Sommer 2014 durch die sogenannte "Ice Bucket Challenge" in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit: Dabei ging es darum, Geld für die Erforschung von ALS zu spenden oder sich einen Kübel Eiswasser über zu gießen. Zu den bekanntesten Betroffenen der Krankheit gehört Astrophysiker Stephen Hawking. In Österreich gibt es etwa 800 ALS-Patienten. (APA, sda, 28.7.2016)