Hillary Clinton soll – geht es nach den Demokraten – die erste Präsidentin in der Geschichte der USA werden. Tim Kaine (li.) soll ihr als Kandidat für den Vizepräsidenten dabei helfen.

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Die Farbe ihres Hosenanzugs ist ein optimistisches Weiß. Das Lächeln soll möglichst nicht aus ihrem Gesicht weichen; höchstens dann, wenn sie über ihren Widerpart redet, über Donald Trump. Es ist die wichtigste Rede ihrer Karriere, ihre erste als offiziell nominierte Präsidentschaftskandidatin. Und Hillary Clinton nutzt die Gelegenheit, um in scharfen Linien nachzuziehen, was sie von Trump trennt.

Hatte der Tycoon auf dem Parteitag der Republikaner das Bild eines Landes am Abgrund gezeichnet, so liefert Clinton auf dem Konvent der Demokraten den Gegenentwurf. Den düsteren Visionen setzt sie einen zukunftsgläubigen Blick auf die Welt entgegen, einen uramerikanischen Blick, wie sie betont. Hatte Trump den Eindruck erweckt, als könne nur er eine Nation im Notstand retten, setzt sie seinem "Ich" ein "Wir" entgegen: "Glaubt niemandem, der euch sagt, er könne alles alleine lösen." In Amerika seien es die Leute gewöhnt, Probleme gemeinsam anzupacken.

Bisweilen klingt es nach einer Geschichtslektion, etwa dann, als sie Franklin D. Roosevelts Konjunkturprogramme zitiert. Sie mache sich keine Illusionen über die Probleme. "Aber wir haben keine Angst." Ihren Rivalen charakterisiert sie als Schwarzmaler, der nichts gemein habe mit der Zuversicht, wie sie Ronald Reagan, Held der Konservativen, sie verkörperte. Reagan habe vom Morgen in Amerika gesprochen. Bei Trump hörte es sich nach Mitternacht an.

Appell an die Mitte

Das ist natürlich ein Appell an die politische Mitte, an hemdsärmelige Tatmenschen, nicht zuletzt an jene Republikaner, die mit ihrem Kandidaten hadern. Trump, sagt Clinton, setze darauf, "dass die Gefahren der heutigen Welt uns blind machen für die grenzenlosen Möglichkeiten dieser Welt". Dann zeichnet sie das Bild eines Cholerikers, der schon beim geringsten Widerspruch die Selbstkontrolle verliere, etwa wenn er auf Twitter etwas lese, was ihm nicht gefalle. Man möge sich Trump im Weißen Haus vorstellen, konfrontiert mit einer echten Krise. "Einen Mann, der sich mit einem Tweet ködern lässt, ist nicht der Mann, dem wir unsere Atomwaffen anvertrauen können."

Ihr Kronzeuge im Sinne der Anklage ist Khizr Khan: ein Immigrant aus Pakistan, dessen Sohn Humayun, ein Captain der Armee, 2004 im Irak ums Leben kam. Trump, so Khan, ziehe den Charakter von Muslimen pauschal in den Schmutz, und das in einer Republik, zu deren Gründungsprinzipien die Religionsfreiheit gehöre. Ob Trump jemals die Verfassung der USA gelesen habe, fragt Khan: "Ich bin gern bereit, Ihnen mein Exemplar zu leihen."

Das Weichzeichnen einer Kandidatin, die vielen als unnahbar gilt, als die Eiserne Lady, übernimmt ihre Tochter. Chelsea Clinton erzählt von der Kindheit in Arkansas.

Irgendwann räumt die frühere First Lady, Senatorin und Außenministerin ein, dass sie manchen ihrer Landsleute wohl noch immer als ein Rätsel erscheine. "Über all die Jahre im öffentlichen Dienst ist mir der Dienst immer leichter gefallen als die Öffentlichkeit. Manche Leute wissen nicht, was sie mit mir anfangen sollen."

Mangelndes Vertrauen

Umfragen zufolge haben zwei Drittel der Amerikaner kein Vertrauen in Clinton. Die Rede ist ihre große Chance, dagegen anzusteuern, indem sie in sympathischer Offenheit menschliche Schwächen eingesteht und sich zu Fehlern bekennt. Es gelingt ihr nur ansatzweise. Sich selber auf die Schaufel zu nehmen – eine Kunst, auf die sich ihr Mann Bill perfekt versteht – scheint einfach nicht ihre Sache zu sein. Das Kapitel "Persönliches" fasst sie in einem Satz zusammen, der ihre Willensstärke betont: "Mehr als einmal musste ich mich aufrappeln, um zurück ins Spiel zu kommen."

Mittendrin versucht sie, nunmehr jenseits aller Polemik das Phänomen Trump zu erklären. Das Phänomen eines Milliardärs, der bei weißen Geringverdienern ohne College-Abschluss besser ankommt als bei jeder anderen Bevölkerungsgruppe. Die Demokraten, betont sie, seien doch die Partei der arbeitenden Menschen. Doch hätten sie es bisweilen versäumt, den kleinen Leuten das Gefühl zu geben, dass man verstanden habe, was sie durchmachten. "Einige von euch sind verärgert und wütend. Und wisst ihr was: Ihr habt recht!" (Frank Herrmann aus Philadelphia, 29.7.2016)