Als 41-Jährige kommt Laurence Baldauff zu ihrem Olympia-Debüt. Im Sambódromo von Rio de Janeiro will sie die 122 Zentimeter große Zielscheibe aus 70 Metern Entfernung möglichst mittig treffen.

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So funktioniert Bogenschießen bei Olympia.

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Wien – Spannung, Schuss, Treffer. Ein Blick durchs Fernrohr. Hunderte Male wiederholt Laurence Baldauff dieses Ritual pro Tag. Baldauff (41) ist Bogenschützin. Die gebürtige Luxemburgerin vertritt Österreich bei den Olympischen Spielen. Am Freitag ist sie nach Rio geflogen. Bis dahin hat sie zumeist in Wien, Freudenau, geübt. Gegenüber vom Hafen und neben dem Golfplatz haben die Bogenschützinnen und -schützen ihr Reich. Außer ein paar Libellen und vielen Gelsen verirren sich nur wenige hierhin.

Zehn Uhr früh, Sonnenschein, Helmut und Peter schießen schon. Laurence Baldauff trifft ihre Vorbereitungen. "Manchmal bin ich bis 17 Uhr da", sagt sie. Im Herbst streute sie noch Fitnesseinheiten ein. So kurz vor Olympia ist sie nur noch am Schießen. Es überrascht ein wenig, dass Baldauff die Abwechslung an ihrer Sportart besonders mag. "Man muss immer an sich arbeiten." Sie variiert ihr Training, setzt unterschiedliche Schwerpunkte: Materialtuning, Kondition, Technik. Für Laien freilich ist die Variation nicht zu erkennen.

Zielscheibe ist 70 Meter weit weg

Baldauff schießt auf 70 Meter Entfernung, da lässt das freie Auge schon einmal nach. Aber was sie durchs Fernrohr sieht, gefällt ihr. Die ersten sechs Pfeile dieser Trainingseinheit sind allesamt zentrumsnah. "Es läuft echt gut. Genauso gehört's."

Echt gut lief es auch bei der WM 2015 in Kopenhagen, als die Olympia-Quotenplätze ausgeschossen wurden. Baldauff glaubte an ihre Chance auf ein Rio-Ticket. Aber dass sie es tatsächlich schaffte, kam doch etwas überraschend. Erstmals seit 1984, seit Ursula Valenta in Los Angeles dabei war, ist Österreich wieder im olympischen Bogenschießen vertreten.

Dabei waren die Vorzeichen in Kopenhagen alles andere als optimal. Baldauff: "Ich habe zwei Wochen vorher nichts mehr getroffen." Bei Regen und Wind gewann sie in Dänemark ihre ersten beiden Matches, das dritte verlor sie. Danach ging es für Baldauff und fünf weitere Schützinnen um drei Rio-Tickets. Baldauff musste zwei Duelle gewinnen. "Das hab ich gemacht." Kopenhagen sei wie eine Achterbahn gewesen, sagt sie. "Unfassbar."

Baldauff schießt täglich hunderte Pfeile.
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Ihre Karriere verlief bis dahin auch ein bisschen wie eine Achterbahn. Mit 16 probierte sie das Bogenschießen in einem Feriencamp erstmals aus. Baldauff fand Gefallen. Baldauff machte sich gut. Sie begann, in einem Verein in Luxemburg zu schießen. Ihr damaliger Trainer, 1972 selbst Olympia-Teilnehmer, sagte zu ihr: "Mir dir geh ich zu Olympia."

Und 1999 schien die damals 24-Jährige gut genug, um sich für Sydney 2000 zu qualifizieren. "Jeder hat gesagt, ich würde es schaffen." Aber der Druck war zu groß. "Ich bin an meinen Nerven gescheitert."

Die Liebe führte Baldauff nach Österreich

Auf die sportliche Enttäuschung folgten private Probleme. Baldauff ließ das Bogenschießen sein. Sie konzentrierte sich auf den Job, sie ist studierte Umweltmanagerin. Noch in Luxemburg lernte sie ihren Freund kennen – einen Österreicher. Sie zog zu ihm nach Wien.

Weil sie sich in Wien trotz Job und Partner "ein bisschen gelangweilt" hat, begann sie wieder mit dem Bogenschießen. Das war 2010. Ihre Klubkollegen überredeten sie, mit österreichischer Lizenz zu schießen. "Ich dachte, die sind alle so nett zu mir. Warum nicht?" 2011 schoss sie erstmals bei einer österreichischen Staatsmeisterschaft, 2013 gewann sie mit Österreichs Team EM-Silber im nichtolympischen Feldbewerb, ein Jahr später holten Baldauff und Kolleginnen WM-Gold. Und im Vorjahr dann das Rio-Ticket und WM-Platz 17 im olympischen Bogenschießen. Seit März 2016 ist Baldauff Österreicherin.

K.-o.-Duelle in Rio

"In Rio", sagt sie, "hat jede die Möglichkeit, vorne dabei zu sein". Es gebe keine klaren Favoritinnen. "Die Tagesform entscheidet." Im Sambódromo wird wie in Kopenhagen in K.-o.-Duellen geschossen. "Das mag ich lieber als eine Quali." Es kann aber auch schnell vorbei sein. "Man muss hochkonzentriert sein." Das Ergebnis von Kopenhagen will sie mindestens egalisieren.

Nach Rio will die Mutter eines 20-jährigen Sohnes den Sport nicht mehr so intensiv betreiben. "Für zwei Jahre war das ganz lustig. Aber ich habe auch andere Interessen." Reisen und Fotografieren will sie dann.

In der Freudenau haben sich Helmut und Peter mittlerweile verabschiedet. Laurence Baldauff hat noch einige Pfeile vor sich. "Man versucht, das eine Gefühl des perfekten Schusses zu wiederholen." Am besten in Rio. Und mehrmals. (Birgit Riezinger, 1.8.2016)