Muslime in einem Gebetshaus in Piräus. Bald sollen sie eine offizielle, vom griechischen Staat errichtete Moschee erhalten.

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Athen – Einen "Hotspot" für Griechen wollen sie aufmachen. Obdachlos gewordene Landsleute sollen kommen und keine Muslime zum Beten, wie das die linke Regierung plant, die Flüchtlingen schon Tür und Tor geöffnet habe.

So stand es jüngst in einem – neuerlichen – Aufruf rechtsgerichteter Grüppchen, die gerade wieder vor Gericht verloren haben: Der Kulturverein "Athena", die Reservisten von den "Bürgersoldaten", die "Griechen Renaissance" – sie alle wollen den Bau einer Moschee auf dem Gelände einer ehemaligen Marinebasis im Westen der griechischen Hauptstadt verhindern. Als orthodoxe Christen müssten sie sich wehren, sagen sie. Verfassungswidrig sei dieser Bau.

In der Verfassung garantiert

Ganz im Gegenteil, sagt Giorgos Kalentzis, der Generalsekretär für religiöse Angelegenheiten im griechischen Bildungsministerium: "Die Verfassung garantiert die freie und ungehinderte Ausübung aller Religionen." Und deshalb werde es diese Moschee in Votanikos geben, am Ende des Athener U-Bahn-Netzes, halb Industriegebiet, halb Siedlung und Universitätsgelände.

Es geht um die erste offizielle Moschee überhaupt seit dem Abzug der Türken aus Athen 1833, nach 400 Jahren drückender Herrschaft. Keine Kleinigkeit also. Die Rechten, die Faschisten, ein Teil der Bischöfe machen einen Kulturkampf aus ihrem Widerstand gegen die staatliche Moschee. Denn in der Verfassung steht auch: "Die vorherrschende Religion in Griechenland ist die östlich orthodoxe Kirche Christi."

85 Prozent Griechisch-Orthodoxe

Mehr als 85 Prozent der Griechen sind offiziell orthodox, rund fünf Prozent im Land muslimischen Glaubens; Protestanten, Katholiken und andere gibt es nur wenige. Die jüdischen Gemeinden umfassen infolge der systematischen Ermordung durch die deutschen Nazis nur wenige Tausend Mitglieder.

Allein in Athen und der Region Attika leben heute 200.000 Muslime, die Flüchtlinge in den Lagern nicht mitgerechnet. Sie gehen zum Beten in Kellerwohnungen und umfunktionierte Hallen. An hohen muslimischen Feiertagen wie jüngst zum Ende des Fastenmonats Ramadan werden Sportstadien aufgesperrt.

Platz für 350 Betende

Javied Aslam, der Chef der pakistanischen Gemeinschaften in Athen, nennt die geplante Moschee in Votanikos einen "Scherz". 350 Gläubigen soll sie in der Gebetshalle einmal Platz bieten. Ein Minarett wird es sowieso nicht geben. "Die Griechen haben ein Riesenthema daraus gemacht", sagt Aslam, "und bisher hören wir nur Worte."

Zehn Jahre schleppt sich das Projekt schon hin. Der Generalsekretär für religiöse Angelegenheiten, Kalentzis, hat fünf Klagen vor dem Obersten Verwaltungsgericht gezählt. Nach der erneuten Abweisung im Juli kann die Regierung nun endlich die Baugenehmigung erteilen. Aber auch gegen die werde es sogleich Einsprüche geben, sagt Kalentzis voraus. Zum Teil liege das in der Natur öffentlicher Bauvorhaben. Selbst gegen den Bau des international gelobten Akropolis-Museums gab es 105 Klagen beim Verwaltungsgericht. Griechenlands enorme Finanzkrise und die häufigen Regierungswechsel seit 2009 kamen noch dazu.

"Wie wir Orthodoxie verstehen"

Hier gehe es noch um etwas anderes, sagt Kalentzis und macht ein überraschendes Geständnis: "Dieses Moscheeprojekt ist wichtig für uns orthodoxe Christen. Es hat damit zu tun, wie wir Orthodoxie verstehen, die Existenz des Islam und die anderen Religionen." So hatte etwa auch Seraphim, der für seine reaktionären Ansichten und Abneigung gegen die Regierung des linken Volkstribuns Alexis Tsipras bekannte orthodoxe Bischof von Piräus, gegen die Moschee geklagt. Am Ende erschien er aber nicht vor Gericht.

Die orthodoxe Kirche sei nicht gewohnt, mit religiöser und ethnischer Vielfalt umzugehen, sagt Anna Triandafyllidou, Professorin am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, die bezüglich Migration und kulturellen Wandels forscht. "Manchmal aber sind Politiker der Gesellschaft voraus." Triandafyllidou erinnert an die Regierung des Sozialisten Kostas Simitis (1996–2004), der die obligatorische Eintragung der Religionszugehörigkeit in griechischen Ausweisen abschaffte.

Parteien übergreifend dafür

Ein parteiübergreifender Konsens zum Bau der Moschee in Athen steht. Von der konservativen Nea Dimokratia bis zu den Kommunisten der KKE unterstützen alle den Plan, die Faschisten sowie – bemerkenswerterweise – die Unabhängigen Griechen (Anel), Koalitionspartner von Tsipras, ausgenommen.

Mit der Türkei und der muslimischen Minderheit in Thrakien im Norden Griechenlands hat die Moschee nichts zu tun. Sie ist für die Einwanderer gedacht, die in den Boomjahren nach 2000 nach Athen kamen, sowie für die neuen Flüchtlinge. Die rund 70 illegalen muslimischen Gebetshäuser in der Hauptstadt will die Regierung in der Folge zur Beantragung einer Lizenz zwingen oder aber schließen.

Das sei eine Frage der nationalen Sicherheit, heißt es mit Blick auf die Serie islamistischer Terroranschläge in Europa. Die alten osmanischen Moscheen in Griechenland aber werden bleiben, was sie jetzt meist sind – Museen für griechische Volkskunst. (Markus Bernath aus Athen, 1.8.2016)