In "Counterstrike" sollen Amok-"Fans" schlimme Taten nachspielen

Foto: Screenshot

Nach dem blutigen Amoklauf in München, bei dem ein 18-Jähriger neun Menschen und sich selbst erschossen hat, nehmen deutsche Behörden verstärkt Nutzer des Gaming-Portals Steam ins Visier. Dort hat sich offenbar eine Szene an Nutzern gebildet, die Amokläufer verherrlichen. Auch David S., der Täter von München, soll dort aktiv gewesen sein und sich mit anderen Spielern ausgetauscht haben. Wie bereits thematisiert wurde, spielte der 18-Jährige regelmäßig "Counterstrike", dabei gab er sich Namen wie "Hass". Er soll auch Mitspieler des eigenen Teams abgeschossen haben.

Usergenerierte Karten von Amok-Schauplätzen

Er ist kein Einzelfall: Auf YouTube gibt es eine ganze Reihe an Nutzern, die beispielsweise Amokläufe in "Counterstrike" nachspielen und diese Videos dann ins Netz stellen. Laut FAZ finden sich etwa usergenerierte Karten der Columbine High School, an der 1999 einer der schlimmsten Amokläufe der Geschichte stattfand. Dessen zwei Täter werden in der Szene verehrt. Ein ausführlicher Text im New Yorker erklärt, wie sich ein Kult um die beiden Amokläufer der Columbine High School gebildet hat. Immer wieder bezogen sich Amokläufer seit 1999 explizit auf die zwei US-Teenager.

Ein weiteres YouTube-Video zeigt den nachgespielten Amoklauf von Erfurt, wo ein 19-Jähriger 2002 fünfzehn Personen ermordet hat. Leider habe er es nicht geschafft, den Dialog mit dem Lehrer einzufügen, schreibt dessen Ersteller; deshalb sei das nachgestellte Video nicht authentisch. Viele der Nutzer, die auf YouTube und Steam über Amokläufe fantasieren, stammen laut FAZ aus Deutschland. Deshalb widmen die deutschen Behörden, also Landeskriminalämter und Verfassungsschutz, nun Steam, über das "Counterstrike" abgerufen werden kann, und YouTube ihre Aufmerksamkeit.

Reddit-Nutzer verhindern womöglich Blutbad

So soll auch der Münchner Amokschütze über Steam mit Gleichgesinnten kommuniziert haben. Ein Reddit-Nutzer konnte durch Recherchen nach der Tat in München möglicherweise einen weiteren Amoklauf verhindern. Er berichtete auf der Plattform von einem Instagram-Konto, auf dem ein junger Deutscher Bomben und eine Glock-Pistole präsentierte. Dies meldete er bei der Polizei, woraufhin die Beamten seinen Fund in einer mehrstündigen Befragung besprachen.

Mit seiner Zivilcourage hat er möglicherweise ein Blutbad verhindert: Denn der Inhaber des von ihm entdeckten Accounts stand offenbar mit dem Münchner Amokschützen in Kontakt. Der 15-jährige wurde vorläufig festgenommen und befindet sich mittlerweile freiwillig in einer psychiatrischen Klinik. Wie Motherboard berichtet, sollen nun drei weitere Nutzer ins Visier der Reddit-Nutzer geraten sein. Aus der "Szene" gibt es schon heftige Kritik, dort heißt es, dass die Videos nicht ernst gemeint seien und die "Auslieferung" an die Polizei einem Denunziantentum gleichkomme.

Pflicht zur Meldung

Allerdings kann die Nicht-Meldung solcher Konten strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen: Wer aktiv mit Nutzern kommuniziert, die solche Videos ins Netz stellen, könnte sich, falls sie tatsächlich zur Waffe greifen, strafbar machen. So laufen gegen einen Freund des Amokschützen Ermittlungen wegen des "Verdachts der Nichtanzeige einer geplanten Straftat." Er hatte freilich nicht nur auf Steam und anderen Plattformen mit ihm kommuniziert, sondern sich sogar kurz vor der Tat mit ihm getroffen.

Reddit-Nutzer hoffen jedenfalls, dass die Gaming-Szene durch derartige Funde nicht weiter in Verruf gerät. Tatsächlich handelt es sich bei jenen, die momentan der Polizei helfen, ja ebenfalls um "Counterstrike"-Spieler, deren überwältigende Mehrheit friedlich ist. Videospiele, aber auch Filme oder Musik werden immer wieder als Auslöser und Inspiration für derartige Gewalttaten genannt. Tatsächlich gibt es aber keine wissenschaftlichen Beweise, dass dem so wäre. Freilich ist es auch etwas anderes, ob Nutzer einfach regulär "Counterstrike" spielen oder das Spiel missbrauchen, um ihre Gewaltfantasien auszuleben. (Fabian Schmid, 2.8.2016)