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Einwohner von Aleppo verbrennen Bettzeug. Der Rauch soll gegen Luftangriffe helfen.

Foto: REUTERS/Abdalrhman Ismail

Beirut/Damaskus – Im Kampf um die syrische Stadt Aleppo haben die Regierungstruppen nach den Verlusten der vergangenen Tage nun wieder Geländegewinne erzielt. Wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch berichtete, gelang es der Armee mit Unterstützung von russischen Luftangriffen, mehrere Hügel und Dörfer südwestlich von Aleppo von den Aufständischen zurückzuerobern.

Internationale Hilfsorganisationen schlugen am Mittwoch angesichts der desolaten Lage der eingeschlossenen Bewohner Alarm.

Chlorgaseinsatz nicht bestätigt

Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete aus dem Osten Aleppos, dass die Kämpfe die ganze Nacht angedauert hätten. Am Mittwochmorgen seien auch Fassbomben abgeworfen worden, die Luftangriffe hielten an. In Sarakeb 50 Kilometer südlich von Aleppo hätten 24 Menschen nach einem Fassbombenangriff über Atemnot berichtet, meldete die Beobachtungsstelle. Einwohner sagten, es sei Chlorgas eingesetzt wurde. Dies konnte von der Beobachtungsstelle nicht bestätigt werden.

Russland hat jede Beteiligung an einem möglichen Giftgas-Angriff in Syrien zurückgewiesen. Terrorgruppen in dem Bürgerkriegsland wollten Russland oder der syrischen Regierung immer wieder Provokationen unterschieben, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Anschuldigungen gegen Moskau oder Damaskus hätten nichts mit der Realität zu tun.

Versorgungsrouten unterbrochen

Mit ihren jüngsten Erfolgen machten die Regierungstruppen die Eroberungen der syrischen Rebellen und der mit ihnen verbündeten jihadistischen Kämpfer praktisch zunichte. Diese hatten ihre Offensive am Sonntag gestartet, um den Belagerungsring der Regierungstruppen zu durchbrechen. Ihr wichtigstes Ziel ist die Einnahme des Bezirks Ramussa, um eine neue Versorgungsroute zu öffnen.

Die staatsnahe Zeitung "Al-Watan" berichtete, die Soldaten seien südlich und südwestlich von Aleppo wieder auf dem Vormarsch, die Rebellengruppen hätten "schwere Niederlagen" erlitten hätten. Dem ebenfalls regierungsnahen Portal "almasdarnews" zufolge gelang es den Aufständischen, in Ramussa einzudringen und dort einen Tunnel zu sprengen. Nach schweren Kämpfen hätten sie sich aber zurückziehen müssen, die Regierungstruppen kontrollierten das Viertel nun wieder.

Laut der Beobachtungsstelle wurden seit Beginn der Offensive am Sonntag mehr als 50 Rebellen und Jihadisten sowie dutzende Regierungssoldaten getötet. Über Nacht seien zudem mindestens zehn Zivilisten getötet worden, als Rebellen Bezirke im Südwesten der Stadt angriffen. Die Angaben der Beobachtungsstelle, die sich auf ein dichtes Netzwerk von Informanten in Syrien beruft, können von unabhängiger Seite kaum überprüft werden.

Hilfsorganisationen warnen

Ein Bündnis aus Care, World Vision und dutzenden weiteren Hilfsorganisationen forderte derweil in Berlin mit Blick auf Aleppo: "Die Stadt darf nicht zu einem weiteren Ort des Massensterbens werden." Die internationale Syrien-Unterstützergruppe müsse "umgehend alles" dafür tun, "den brutalen Belagerungszustand und die illegalen Angriffe auf Zivilisten zu stoppen".

Als besorgniserregend bezeichneten die Organisationen Russlands Ankündigung der vergangenen Woche, in Aleppo sogenannte humanitäre Korridore für Zivilisten und Rebellen, die sich ergeben, einzurichten. Aleppos Bewohner dürften nicht vor die Wahl gestellt werden, "entweder in die Arme ihrer Angreifer zu fliehen oder in den belagerten und bombardierten Stadtteilen zu bleiben".

Auch die deutsche Bundesregierung warnte vor einer "humanitären Katastrophe". Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte, das Angebot ungesicherter Fluchtkorridore durch Russland bei gleichzeitiger Fortsetzung der Bombardierung sei "inakzeptabel und zynisch". Die Bundesregierung fordere die Kriegsparteien zu einem sofortigen Waffenstillstand im gesamten Gebiet von Aleppo auf. Russland stehe hier "in besonderer Verantwortung". Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, unterstrich die Bereitschaft der deutschen Bundesregierung, eine humanitäre Versorgung der eingekesselten Menschen zu unterstützen. (red, APA, AFP, 3.8.2016)