Für gewöhnlich macht sie ein Geräusch, das wie "tuck-tuck" klingt, wenn sie fährt. Das ist auch der Grund, warum die Autorikscha, eine motorisierte Form der klassischen Fahrradrikscha, kurz und bündig einfach Tuk-Tuk genannt wird. Man hört sie von weitem, wenn der alte Dieselmotor läuft. Das Tuk-Tuk von Naveen Rabelli ist aber leise. "Tuck-tuck" macht es nicht.

Rabellis Fahrzeug läuft fast geräuschlos. Kein Sprit, sondern drei große Lithium-Ionen-Batterien betreiben den Elektromotor an der Unterseite des Fahrzeugs. Sind diese leer, wird das Auto an eine Steckdose angehängt und Strom getankt. Geht der Strom unterwegs aus oder gibt es einfach keine Steckdose in der Nähe, dann fährt Rabelli sein Solardach aus. "In Indien fuhr ich durch Dörfer, die keinen Strom hatten. Dann habe ich einfach mein Tuk-Tuk für ein paar Stunden in die Sonne gestellt", sagt Rabelli. Mit einer vollen Batterie schafft er mit einer Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern etwa eine Strecke von 60 Kilometern, bis er wieder Strom tanken muss.

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Mit seinem Öko-Tuk-Tuk erfüllt sich der 35-jährige Ingenieur einen Kindheitstraum: die Fahrt von seiner Heimat Indien bis in die britische Hauptstadt London – ohne dabei die Umwelt zu belasten. "Das Fahrzeug, das in Indien am meisten die Umwelt verschmutzt, ist das Tuk-Tuk", erzählt Rabelli: "Ich wollte es umweltfreundlich machen."

Auf Reisen schläft Naveen Rabelli im hinteren Teil seines Tuk-Tuks.
Foto: Oona Kroisleitner

Vor vier Jahren startete Rabelli letztlich das Projekt und baute mit seinem kleinen Team ein altes Diesel-Tuk-Tuk zum Elektro-Tuk-Tuk um. "Der technische Teil war schnell geschafft", sagt Rabelli. Die meiste Zeit hätte die Suche nach finanziellen Unterstützern in Anspruch genommen. Und dann gab es noch eine zusätzliche kleine Verzögerung im vergangenen August. Kurz bevor er losfahren wollte, hatte Rabelli einen Unfall. Ein Diesel-Tuk-Tuk hatte ihn in Bangalore angefahren. Sechs Monate musste er einen Gips am Bein tragen.

Acht Länder in sechs Monaten

Im Februar konnte Rabelli dann endlich losstarten. Von Bangalore aus fuhr der Inder mit seinem Tuk-Tuk nach Mumbai und nahm von dort aus die Fähre. Erst setzte er über das Arabische Meer nach Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten und dann über den Persischen Golf nach Bandar Abbas im Iran. "Über das Land zu fahren wäre aktuell zu gefährlich gewesen", sagt Rabelli.

Von Indien bis nach Deutschland ist Naveen Rabelli bereits gefahren. Jetzt geht es weiter durch Frankreich bis nach Großbritannien.

Vom Iran aus durchquerte er fünf weitere Staaten – die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Serbien und Ungarn –, bis er Österreich erreichte. "Immer bevor ich eine Grenze übertreten habe, war ich etwas besorgt, wie das neue Land wohl sein wird", sagt Rabelli. "In jedem Land stehe ich einer neuen Sprache gegenüber. Einer neuen Kultur."

Eine große Umstellung war die Ankunft in Österreich. Nach jedem durchreisten Land änderte sich die Kultur langsam, wurde westlicher. "Zwischen Ungarn und Österreich liegt kulturell dann aber sehr viel", sagt Rabelli. "Es gibt sehr viele Regeln. Der Straßenverkehr ist viel strenger." Eine Woche reiste Rabelli von Wien über Linz nach Salzburg. Die Abfahrt aus Wien verzögerte sich allerdings. Nach einem Besuch bei der indischen Botschaft fand Rabelli sein Tuk-Tuk mit platten Reifen, aus denen man die Luft ausgelassen hatte, auf.

Immer wenn Rabelli eine Grenze übertritt, ist er besorgt, wie das neue Land wohl sein wird.
Foto: Raoul Kopacka

Danach ging es weiter nach St. Pölten, zum Waldviertler Energiestammtisch in der Arche Noah in Langenlois, für den er eine spontane Einladung erhalten hatte. In Saxen in Oberösterreich stieß der Elektromobilitätsclub Österreich hinzu. Die Elektroautos eskortierten den Inder zur Ars Electronica und weiter an den Attersee.

In den vergangenen Tagen übertrat er dann auch die deutsche Grenze. "Ich glaube, es wird alles noch strikter in den nächsten Tagen", sagt er. Allerdings seien seine Erfahrungen bisher durchwegs gut gewesen: "Ich hatte viel Glück, die Menschen waren alle sehr gastfreundlich bis jetzt."

Geschenke und Erinnerungen

Besonders freut sich Rabelli darüber, wenn Menschen ihn in ihr Haus oder ihren Garten einladen und ihn dort übernachten lassen. Ansonsten schraubt der Ingenieur einfach den Zweitsitz im Laderaum des Tuk-Tuks ab und schläft in diesem Bereich. Die Freundlichkeit der Menschen führte bei Rabellis Tuk-Tuk aber auch zur Gewichtszunahme. Mittlerweile wiegt es mit Fahrer 800 Kilo. Anfangs transportierte der Inder neben seinen Alltagsdingen nur Wechselteile und Werkzeug mit.

Ein altes Diesel-Tuk-Tuk wurde grunderneuert und zum Öko-Gefährt umgebaut.
Foto: Raoul Kopacka

Im Laufe der Reise habe sich allerdings einiges angesammelt: Säfte, Olivenöl und Essen gehören zu den häufigsten Geschenken, die der Reisende von seinen Reisebekanntschaften bekommt. Jeder, den Rabelli auf seiner Fahrt trifft, kann sich zudem im hinteren Teil des Tuk-Tuks mit einer kleinen Grußbotschaft oder einem Foto verewigen. Kinder hatten begonnen, an die weißen Plastikwände zu malen. Erwachsene machten es nach.

Inspiration durch Bekanntschaften

Wenn Rabelli von seinen Reisebekanntschaften erzählt, spricht er von einem "breiten Spektrum" an Menschen. Viele davon seien sehr inspirierend gewesen. "Im Iran habe ich einen Hirten kennengelernt. Das Erste, was er zu mir gesagt hat, war, ich solle ihm ein englisches Buch geben", erzählt Rabelli. Der Mann habe immer ein Buch, einen Stift und ein Wörterbuch bei sich gehabt: "Er sagte, dass er so Englisch lernen würde – ganz alleine."

Fotos, Postkarten und Grußbotschaften zieren den Laderaum, wo Naveen Rabelli auch schläft.

In Griechenland freundete sich der Reisende mit Flüchtlingen an. "Ich habe einen Mann kennengelernt, der zu Fuß aus Pakistan geflohen ist", berichtet er. Ein großer Teil der Strecke, die Rabelli mit dem Tuk-Tuk gefahren ist, überschneidet sich mit der Fluchtroute des Pakistani. "Ich habe ihm Fotos von den Bergen, die ich durchquert habe, gezeigt, aber er konnte sich an keine der Landschaften erinnern." Der Grund: Er musste in der Nacht gehen. Für Rabelli war das herzzerreißend: "Für ihn war es eine Notwendigkeit, für mich war es ein Traum zu reisen."

Weil er in Serbien anschließend ein paar Flüchtlinge in den nächsten Ort mitgenommen hatte, wurde Rabelli für einen Schlepper gehalten: "Ich erklärte ihnen das Projekt, sie haben mir geglaubt und mich weiterreisen lassen."

Umwelt im Fokus

Aber nicht nur Zufallsbekanntschaften prägen Rabellis Reise. In Schulen und an Universitäten spricht er über sein Projekt und diskutiert über die Möglichkeiten des umweltfreundlichen Verkehrs. Er will junge Leute zur ökologischen Nachhaltigkeit inspirieren.

Bis sein Schengen-Visum im September abläuft, will Rabelli London erreicht haben. Bis dahin fährt er noch durch Deutschland und Frankreich. In der westfranzösischen Hafenstadt Calais wird er die Fähre nach Großbritannien besteigen. Wie es danach weitergeht, ist noch unklar: "So weit habe ich noch nicht geplant. Auf der Reise denke ich mittlerweile nur noch an die nächsten 100 Kilometer."

Trotzdem kann sich Rabelli einen längeren Aufenthalt in Europa vorstellen. Nach seinem Masterstudium in Elektrowissenschaften in Australien hatte er in Indien bei einer Elektroautofirma gearbeitet. Einen Job im technischen Umweltbereich könnte er sich auch im Westen gut vorstellen. (Oona Kroisleitner, Raoul Kopacka, 11.8.2016)