Präsident Duterte spricht Drogendealern das Recht auf einen fairen Prozess ab.

Foto: APA/AFP/TED ALJIBE

Michael Siarons Familie bei seinem Begräbnis.

Foto: APA/AFP/NOEL CELIS
Sehen Sie hier eine kurze Zusammenfassung des Artikels.
derStandard.at

Rodrigo Duterte, Präsident der Philippinen, versprach im Wahlkampf, im Falle eines Sieges den illegalen Drogenhandel und die Kriminalität innerhalb von sechs Monaten auszumerzen. Seit seinem Amtsantritt am 30. Juni ist die Zahl getöteter mutmaßlicher Drogendealer stark gestiegen: Eine Liste des "Philippine Daily Inquirer" führt 524 Todesopfer an, die seither unter teils ungeklärten Umständen erschossen wurden.

Polizeiangaben zufolge waren es von 1. bis 27. Juli 316 Tote, 195 davon sollen auf das Konto privater Bürgerwehren gehen. Zwischen Jänner und Juni waren es nach Polizeiangaben 68 Opfer. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft der Regierung vor, mit Killern unter einer Decke zu stecken.

Der Staatschef hatte im Juni in einer Fernsehansprache das Volk aufgerufen, ihn in seinem Kampf gegen das Verbrechen zu unterstützen und setzte Kopfgelder auf die Ergreifung oder Erschießung von Drogenhändlern aus: "Sie können gern die Polizei rufen. Falls Sie eine Schusswaffe besitzen, können Sie es aber selbst erledigen – Sie haben jedenfalls meine Unterstützung."

Drogenkonsumenten auf den Philippinen verwenden neben Marihuana hauptsächlich das Aufputschmittel Methamphetamin ("Shabu"), das in kleinen Labors aus Haushaltschemikalien hergestellt wird. Die Droge dämpft Hungergefühl und Müdigkeit. Laut US-Außenministerium verwenden 2,1 Prozent der 16- bis 64-jährigen Philippiner den illegalen Muntermacher.

Bild nicht mehr verfügbar.

Valenzuela im Norden Manilas: Die Polizei präsentiert beschlagnahmte Chemikalien, die zur Methamphetamin-Produktion dienen sollten.
Foto: REUTERS/Romeo Ranoco

Seit Dutertes Amtsantritt werden immer wieder die Leichen mutmaßlicher Drogendealer auf den Straßen Manilas gefunden. Die Mörder hinterlassen oft Schilder wie "Ich bin ein Drogenhändler" neben ihren Opfern.

Das Bild der Philippinerin Jennelyn Olaires, die ihren getöteten Ehemann Michael Siaron in den Armen hält, fand in sozialen Medien weite Verbreitung und erschien auch auf den Titelseiten lokaler Zeitungen. Laut Olaires konsumierte Siaron zwar Drogen, verdiente sein Geld aber als Lenker eines Fahrradtaxis.

Präsident Dutarte hatte für die Hinterbliebenen nur Spott übrig: "Wenn man nicht getötet oder verletzt werden will, sollte man sich besser nicht auf Priester und Menschenrechtsgruppen verlassen. Die können den Tod nicht aufhalten", erklärte er – "und dann liegt man auf dem Boden und wird im Großformat abgedruckt, wie die Gottesmutter Maria, die den Leichnam Jesu Christi umarmt."

Offiziell distanzieren sich die Behörden von den Morden. Polizeisprecher Dionardo Carlos beteuert, dass die Beamten keine Kopfgelder erhalten. Allerdings könne die Polizei nicht verhindern, dass lokale Bürgermeister "Anreize setzen", um die Verbrechensbekämpfung zu verbessern. So hat der Bürgermeister Cebus, der zweitgrößten Stadt des Landes, seinen Polizisten ein Kopfgeld von 50.000 Pesos (950 Euro) für jeden getöteten Drogenboss versprochen.

Gefängnisse überfüllt

Seit Dutertes Amtsantritt haben sich tausende Drogenkonsumenten der Polizei gestellt. Die schon zuvor überfüllten Gefängnisse des Landes haben allerdings keinen Platz für die Neuankömmlinge.

Die Haftanstalt von Quezon City ist für 800 Gefangene dimensioniert, derzeit beherbergt sie 3.800 Menschen.
Foto: APA/AFP/NOEL CELIS

Phelim Kine, Asienexperte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, forderte den Präsidenten auf, die Morde zu verurteilen. "Solange er dies nicht tut, werden angesichts der Gefahr, auf der Straße erschossen zu werden, immer mehr Dealer und Konsumenten Schutz im Gefängnis suchen", erklärte er.

Auch in der Bevölkerung regt sich mittlerweile Widerstand gegen die außergerichtlichen Tötungen, die unter Bezug auf die hinterlassenen Schilder "Pappendeckeljustiz" genannt werden: Aktivisten tragen Kartons mit Aufschriften wie "potenzieller Drogenhändler". (bed, 6.8.2016)