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Weichenstörungen gehören zu den häufigen Ursachen für Zugverspätungen oder -umleitungen. Eisenbahnverkehrsunternehmen wie ÖBB-Personenverkehr oder Westbahn entgeht dadurch Geld.

Foto: Reuters / Regis Duvignau

Wien – Abgeblitzt ist die ÖBB mit ihren Schienennetz-Nutzungsbedingungen beim Bahnregulator. Vereinfacht ausgedrückt darf sich der Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur bei Betriebsstörungen, etwa aufgrund von Unfällen, Technikfehlern oder Wetterereignissen, nicht bei seinen Kunden, also allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), die auf ihren Gleisen fahren, abputzen. Die entsprechenden Bestimmungen der Netznutzungsbedingungen wurden von der Schienen-Control-Kommission (SCK) von Amts wegen geprüft und für nichtig erklärt. Das besagt der von der Schienen-Control (SC) soeben veröffentlichte, nicht rechtskräftige Bescheid.

Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagt wird der Staatsbahn insbesondere, dass sie den von Ausfällen betroffenen EVU Schadenersatz verwehrt. Selbiger ist bei Störungen in Form von Entgeltnachlässen (bei Schienenmaut oder Stationsentgelt) zu gewähren – auch den Konzernschwestern ÖBB-Personenverkehr AG und der ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria.

Fahren nicht zu Vollkosten

Die ÖBB verweigert Entgeltnachlässe mit der Begründung, sie verrechne ohnehin keine Vollkosten und das Infrastrukturbenützungsentgelt (IBE) enthalte weder Wagnis- noch Gewinnzuschläge. "Gleise, auf denen man zu allen Jahreszeiten und Witterungen 200 km/h fahren kann, sind technische Hochleistungsanlagen. Es liegt auf der Hand, dass Extremwetterlagen temporär Einfluss auf die Leistungsfähigkeit nehmen können – trotz umfangreicher Vorkehrungen, die wir täglich treffen", betont ÖBB-Sprecher Michael Braun.

Außerdem lägen "Abweichungen von der vereinbarten Zugtrasse" (zum Beispiel Verspätungen, Umleitungen) aufgrund von "Störungen in der Betriebsabwicklung im Rahmen des Allgemeinen Betriebsrisikos" und gingen daher "zulasten und auf die Gefahr des beeinträchtigten Vertragspartners", wie es in den nun für unwirksam erklärten ÖBB-Netznutzungsbedingungen heißt.

Ähnlich wie Fluglinien, die ihre Passagiere selbst für Flugverspätungen oder -ausfälle entschädigen müssen, die auf höhere Gewalt zurückgehen, muss auch die ÖBB-Infrastruktur Schicksalsschläge auf ihre Kappe nehmen. So sieht es das Unionsrecht vor.

Die ÖBB hat die Bescheide des Regulators seit 2013 stets bekämpft – bis zum Verwaltungsgerichtshof, wo sie 2015 auch abblitzte. Das Höchstgericht erkannte die Überwälzung der Risiken für Betriebsstörungen auf die benützenden EVU als rechtswidrig gemäß Eisenbahngesetz. Zudem enthalte das Schienenmautregime keine Anreize zur Vermeidung von Betriebsstörungen und zur Erhöhung der Leistung.

Die inkriminierten Klauseln wurden von der ÖBB aus den Geschäftsbedingungen auftragsgemäß zwar regelmäßig entfernt, aber durch neue Bestimmungen mit ähnlicher Zielsetzung ersetzt. Diese neuen Klauseln hat wiederum die Schienen-Control-Kommission aufgehoben – obwohl die ÖBB-Infra inzwischen ein "Performance-Regime" implementiert hat. Dieses Regime, bei dem Verspätungsursachen ausgewertet werden, würde aber durch derartige Geschäftsbedingungen konterkariert, kontert die Schienen-Control, weil Störungsrisiken einseitig den Zugangsberechtigten überwälzt wurden. Das widerspreche dem Diskriminierungsverbot und sei sittenwidrig. Wie hoch die Ausgleichszahlungen und Gewährleistungsansprüche sind, die betroffene EVU von der ÖBB-Infra fordern können, war am Donnerstag ebenso wenig zu eruieren wie die Zahl der Betriebsstörungen pro Jahr. Branchenkenner gehen davon aus, dass der Betrag in die Millionen geht.

Auf Entschädigung werden die EVU wohl noch länger warten, denn die für Erhaltung und Betrieb des Schienennetzes zuständige ÖBB-Infra wird auch diesen Spruch bekämpfen. Dass außer der Westbahn noch nie ein EVU Entschädigung verlangt hat, ist wohl kein Zufall: Größter Nutznießer wäre die Konzernschwester ÖBB-Personenverkehr AG. Innerhalb der Familie gilt eine solche Forderung freilich als Sakrileg. (Luise Ungerboeck, 5.8.2016)