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Kundgebung für eine hohe Wahlbeteiligung in Bangkok-

Reuters / Chaiwat Subprasom

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Reuters / Chaiwat Subprasom

Bangkok/Wien – Thailands Militärjunta macht es sich selbst nicht leicht. Sie möchte die Wählerinnen und Wähler motivieren, am Sonntag via Referendum einer Verfassung zuzustimmen, die ihr auch nach Parlamentswahlen Ende 2017 breite Machtbefugnisse zugesteht. Dabei hat sie allerdings ein Problem: Aus Angst vor aufkeimender Opposition hat sie selbst jede Art der Wahlwerbung verboten und Wahlversammlungen von über fünf Personen mit Haftstrafen bis zu 10 Jahren belegt. Daher ist es auch einzig die Wahlkommission selbst, die offiziell Stimmung machen darf. Sie hat Mitte der Woche rund 3000 Studenten, Beamte und Grundwehrdiener in Bangkok versammelt, die die Bürger aufforderten, zur Wahl zu gehen.

Die Junta gibt sich zuversichtlich. Sie rechnet mit einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent. Und sie verweist auf eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Umfrage von Ende des Vorjahres, in der ihr 99,3 Prozent der Thailänderinnen und Thailänder eine gute Leistung attestieren. Zudem macht sie Druck. "Wer gegen die neue Verfassung ist, hat kein Recht, das öffentlich zu äußern", verkündete der ehemalige Putschist und nunmehrige Premier Prayuth Chan-Ocha vor einigen Tagen. Dennoch fällt der Junta die Mobilisierung offenbar nicht ganz so leicht. Das hat auch inhaltliche Gründe: Denn bei "Ja" zur neuen Verfassung behält das Militär ebenso alle Zügel in der Hand wie bei einem "Nein".

Alles bleibt, wie es ist

Konkret stellt das Referendum eine neue Verfassung zur Abstimmung, mit der das Militär auch nach den geplanten Parlamentswahlen die Möglichkeit hätte, den Senat fast vollständig zu besetzen und so geplante Gesetze der Regierung zu blockieren. Zudem sieht das Papier "konkrete Schritte" vor, damit nur "kompetente, ehrliche und ethische Personen" politische Positionen besetzen können. Um wen es sich dabei nach Ansicht der Junta handeln könnte, legt eine weitere Passage nahe, die es ermöglichen soll, auch "ungewählte Personen" zum Premier zu machen. In diese Kategorie fiele auch Prayuth.

Bei einer Ablehnung bliebe vorerst alles wie bisher. Die geplanten Wahlen könne es in so einem Fall nicht geben, argumentiert die Junta, weil dafür eine Verfassung nötig sei. Das bisherige Grundgesetz hatten die Putschisten vor rund zwei Jahren für ungültig erklärt. Es scheint damit unausweichlich, dass die Junta zumindest bis zu einem Thronwechsel die Zügel fest in der Hand hält. Die Generäle befürchten Umwälzungen, wenn der bisherige und beliebte König Bhumibol Adulyadej (88 und immer wieder in stationärer Behandlung) seinem ungeliebten Thronfolger Maha Vajiralongkorn weicht.

Angst vor der Ohrfeige

Eine Ablehnung wäre dennoch eine Ohrfeige für die Militärregierung. Darum hat sie in den vergangenen Wochen die Repression noch einmal verstärkt: Mindestens 20 Anhänger von Expremier Thaksin Shinawatra wurden festgenommen, eine von ihnen eröffnete Wahlbeobachtungsstelle wieder geschlossen. Andere Episoden zeigen die Nervosität der Junta: Werbung für eine Konferenz der Kaffeefirma Gano wurde abgenommen, weil sich die Wortfolge "Ga no" wie "Nein ankreuzen" lesen lässt. Zwei achtjährige Mädchen wurden vorübergehend festgenommen. Sie hatten eine Wählerliste von der Wand gerissen, weil ihnen die pinke Farbe des Papiers gefiel.

Zudem macht die Regierung massiven Gebrauch von den berüchtigten Gesetzen, die Beleidigung des Königs unter Strafe stellen. Sie werden möglichst breit ausgelegt, sodass auch Forderungen nach einer Rückkehr der Demokratie darunter fallen können. Jüngst verurteilte ein Gericht eine 40-Jährige zu 15 Jahren Haft, weil sie ein entsprechendes Posting auf Facebook mit "Ja" kommentierte. Und sie verweist auf das Chaos, das dem Putsch vorangegangen war. Vertreter der beiden großen verfeindeten Parteiblöcke – der ländlich-linkspopulistischen Thaksin-Partei "Pheu Thai" und der urban-strukturkonservativen "Demokratischen Partei" – hatten 2014 monatelang die Hauptstadt Bangkok mit teils gewalttätigen Großdemonstrationen stillgelegt. Das Militär hatte schließlich mit dem Argument geputscht, es müsse die Stabilität im Land wiederherstellen. Die versprochene Rückkehr zur Demokratie gab es seither allerdings nicht.

Stattdessen agiert die Militärführung zunehmend autoritär. Wegen der umfangreichen Kontrolle über das öffentliche Leben gilt es auch als unwahrscheinlich, dass es am Wahltag zu Gewalt kommen könnte. "Nichts in unseren Analysen deutet darauf hin", heißt es auch seitens des Militärs selbst.

Ein Scheitern des Referendums gilt hingegen als realistische Möglichkeit. Zwar lag in Umfragen zuletzt das "Ja" in Front, allerdings wollten viele Befragte sich nicht festlegen und deklarierten sich als unentschlossen. Die Chefs der beiden ehemaligen Parteiblöcke, Thaksin und Expremier Abhisit Vejjajiva, haben sich jedenfalls zuletzt gegen die Verfassung ausgesprochen. (Manuel Escher, 6.8.2016)