"Mister Universo" von Tizza Covi und Rainer Frimmel.

Foto: Filmfestival Locarno
Foto: Filmfestival Locarno

Locarno – Wohin die Reise geht, weiß man manchmal erst, wenn man schon fast angekommen ist. Aber wenn sich für einen selbst so manches verändert hat, hat sich der Aufbruch gelohnt. Dass dabei die oft verwendete und noch öfter falsch verstandene Redewendung, dass der Weg das Ziel sei, für den jüngsten Film von Tizza Covi und Rainer Frimmel nicht zutrifft, macht ihn umso bemerkenswerter: Mister Universo erzählt von einer Reise, die sehr wohl ein unmittelbares Anliegen verfolgt – aber eben auch davon, wie sehr sich jeder zurückgelegte Meter lohnt.

Wenn zu Beginn der junge Dompteur Tairo (Tairo Caroli) sich für seinen Auftritt bereitmacht, folgt er einem strengen Ritual: Nachdem Kostüm und Haare sitzen, werden nicht nur seine zwei kleinen silbernen Tierfiguren geküsst, sondern vor allem sein wichtigster Talisman: ein verbogenes Stück Metall, dass er seit fünfzehn Jahren besitzt, seit er es als fünfjähriger Bub geschenkt bekam. Warum Tairo dieser Glücksbringer bald abhanden kommen wird und ihn zu einer Reise quer durch Italien aufbrechen lässt, ist gar nicht von Bedeutung. Wichtig ist die Bedeutung dieses Stücks für ihn.

Inszeniert mit dem für sie typischen dokumentarischen Gestus, der bereits ihre bisherigen Arbeiten – zuletzt Der Glanz des Tages – bestimmte, folgen Covi/Frimmel ihrem Protagonisten zunächst durch dessen Alltag und schließlich bei seiner Suche nach jenem Mann, der ihm damals den unscheinbaren, aber umso kostbareren Talisman geschenkt hat. Tairos Reise wird jedoch bald zur Spurensuche, denn niemand weiß so genau, wo sich Arthur Robin, der einstige Mister Universum, heute aufhält.

Zirkusmilieu

Mister Universo ist bestimmt von einer großen und einnehmenden Empathie für seine Figuren, die auch daher rührt, dass Covi und Frimmel mit ihrer jüngsten Arbeit erneut das ihnen seit Babooska bestens vertraute Terrain, das des Zirkusmilieus, erkunden. Es ist eine liebevolle Nähe, die sich sowohl in den von Rainer Frimmel mit Handkamera gefilmten Bildern bemerkbar macht, als auch zwischen den Laiendarstellern selbst: Sie wird denn auch zum Antrieb für Tairos Kollegin Wendy (Wendy Weber), dem Freund mittels eigener Mission wieder zum Glück zu verhelfen.

Am schönsten an diesem außergewöhnlichen Roadmovie ist jedoch sein Optimismus. Was immer auch geschehen mag, man könne immer selbst über das eigene Leben bestimmen, erteilt Tairos Mutter dem Sohn, der auf seiner Reise in den Norden bei ihr – und bei so manchem anderen lieben Verwandten – Station macht, einen guten Rat. Wenn man sich dabei auch noch eine Handvoll Salz über die Schulter wirft, um so besser. Mister Universo ist ohne Zweifel einer der überzeugendsten Filme der ersten Festivaltage. (Michael Pekler, 7.8.2016)