Wien – "Alles begann damit, dass hier so viele Unfälle passierten", sagt Brigitte Macho. Fünf-, sechsmal im Jahr bremsten Autofahrer vor der Kurve in der Heumühlgasse Richtung Wienzeile im vierten Bezirk Wiens nicht rechtzeitig ab und krachten in ihren Copyshop. Verletzt wurde dabei nie jemand, aber die Fassade "schaute irgendwann sehr wild aus", erzählt die 57-jährige Inhaberin.

derStandard.at

Sie ließ sie neu gestalten – und entschärfte damit die Verkehrssituation. Denn seit 2004 ziert eine Folie den Copyshop. Sie zeigt einen Wiener-Linien-Bus in Originalgröße. Aus einigen Metern Entfernung wirkt er täuschend echt – und Lenker bremsen ab, weil sie glauben, ein Fahrzeug vor sich zu haben. Macho urgierte dann noch beim Bezirk: Der Gehsteig vor ihrem Geschäft wurde fußgängerfreundlicher gestaltet, ein Tisch und Sesseln wurden aufgestellt. Unfall habe es seit 2004 keinen mehr gegeben, sagt sie stolz. Mit dem Bus kamen Kunst und Feinkost in den Copyshop – und mit der Sitzmöglichkeit und seiner extrovertierten Inhaberin wurde er zum Grätzeltreff.

"Kunstraum Bus"

Macho, die das Geschäft 1988 übernahm, bezeichnet sich heute als "die kopierende, kunstverständige Greißlerin im Bezirk". Seit fast einem Jahrzehnt organisiert sie viermal im Jahr Vernissagen. Junge Künstler können kostenlos in ihrem Copyshop, den sie auch "Kunstraum Bus" nennt, ausstellen.

Vor drei Jahren beschloss sie, sich auch ihrer Leidenschaft für gutes Essen zu widmen: Sie führt nun unter dem Titel "Genuss im Bus" Wein und Cider, Spezialitäten vom Turopolje-Schwein, Marmeladen, Aufstriche und Öle. Die Produkte kommen von kleinen österreichischen Produzenten und werden sichtlich mit Liebe in den Regalen neben den Kopiergeräten arrangiert. Einmal im Monat lädt Macho einige Produzenten ein und organisiert eine Verkostung.

"Was soll schon passieren?"

Manche hätten es für verrückt gehalten, dass sie mit 54 Jahren etwas Neues angefangen habe, aber sie sei nicht ängstlich: "Was soll schon passieren?" Und: "Wenn man ein halbes Leben wo pickt, muss man es sich nett machen."

Dazu gehört für Macho – neben der Beschäftigung "mit schönen Sachen" wie Kunst -, dass sie sich abends gern auch einmal an den kleinen Tisch hinaussetzt, der beim Gehsteigumbau aufgestellt wurde. So kommt das Grätzel, "vom Straßenkehrer bis zum Generaldirektor", regelmäßig spontan zu "einem Achterl" und zum "gemütlichen Unterhalten" zusammen. Jeder trage dann etwas bei: zum Beispiel "die Käse-Dani von nebenan".

Nicht nur Kopien, sondern auch Cider und Produkte vom Schwein gibt es "im Autobus".
Michael Luger

Als Macho begonnen habe, sei es "ziemlich ruhig auf der Straße" gewesen. "Ich kann aber nicht ständig im Geschäft sein, ich muss raus und unter die Leute gehen."

Im Grätzel weiß man das zu schätzen. Macho wird von vorbeifahrenden Busfahrern freundlich zugenickt oder von benachbarten Geschäftsbetreibern Kaffee vorbeigebracht. Kaum jemand geht am Copyshop vorbei, ohne kurz zu plaudern oder zumindest zu winken.

"Ich geh in den Autobus kopieren."

"Die Leute kommen auch zu mir, wenn sie etwas brauchen oder eine Frage haben", erzählt Macho – etwa: "Weißt du, ob eine Wohnung in der Gegend frei wird?" Oder: "Was kommt in das leere Geschäftslokal nebenan?" Und wer zu Macho kopieren geht, sagt: "Ich geh' in den Autobus kopieren", erzählt eine Kundin.

Macho freut sich, dass sich die "Gemeinschaft gefunden" hat – und über die "ständige Bewegung" im Grätzel: "Es zieht wer weg, wer dazu." Sie versuche "neue Leute immer gleich einzubinden".

Angst vor dem unternehmerischen Neustart hatte Brigitte Macho nie, sagt sie.
Michael Luger

Als 2004 die Busfolie angebracht wurde, organisierte Macho auch erstmals das Heumühlbogen-Straßenfest. Das letzte Mal fand es vor zwei Jahren statt, denn es sei ihr "zu viel geworden". Leben kann Macho nämlich nur vom Copyshop, nicht aber von Kunst und Kulinarik: "Wie viele Tonnen Papier ich schon gehoben habe!"

Doch "die Straße ist ja da", sagt Macho – und nach zwei Jahren würden "alle schon ganz unruhig, weil sie nicht bespielt wird". (Christa Minkin, 8.8.2016)