Ludovic Mohamed Zahed nahm als Imam an der Europride-Parade teil.

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Dass ein Imam bei einem Bootscorso auf den Amsterdamer Grachten mitmacht, ist an sich schon ungewöhnlich. Wenn es die traditionelle Europride-Parade ist, bei der Menschen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern demonstrieren, ist es ungewöhnlicher. Und wenn, wie am Wochenende, er auch noch bekennender Homosexueller ist, ist das ziemlich einmalig.

Ludovic Mohamed Zahed ist der Name des in Algier geborenen Franzosen. Dass der 39-Jährige einmal den ersten inklusiven Gebetsraum in Paris eröffnen und Seminare für homosexuelle Muslime anbieten würde, war nicht absehbar, als er in eine Koranschule gekommen ist.

In Mitschüler verliebt

Denn, wie er etwa in Interviews mit der Welt und dem Spiegel erzählt, damals sei er Salafist gewesen. Die Auswahl in Algerien sei überschaubar gewesen – Salafist oder Muslimbruder. Als 17-Jähriger verliebte er sich in einen neun Jahre älteren Mitschüler. Der erwiderte seine Gefühle nicht, heiratete, bald darauf zog Zaheds Familie nach Frankreich.

Und dort sah er im Fernsehen ein männliches Paar, das offen über Homosexualität sprach. Sein Leben drehte sich: Von Religion wollte er nichts mehr wissen. Erst Jahre später beschloss er, sich in seiner Doktorarbeit mit Islam und Homosexualität auseinanderzusetzen. Religiöse Probleme sieht er in der Beziehung nicht: Er kann im Koran keinen Beleg für Homophobie finden. 2012 gründete er einen liberalen Gebetsraum in Paris, in dem Frauen und sexuelle Minderheiten willkommen sind.

Die Eltern kamen zu seiner Hochzeit, auch wenn die Mutter länger gebraucht habe, seine sexuelle Orientierung zu akzeptieren. Gehalten hat die Ehe nicht, mittlerweile ist Zahed wieder in einer Beziehung.

Zuspruch von Muslimen

Die Reaktion der Umwelt auf seine Initiativen war ambivalent. Er erhielt durchaus auch von Muslimen Zuspruch, das religiöse Establishment verleugnete ihn. Und: "Auch wenn du liberal bist, feministisch, homosexuellenfreundlich, bist du für viele Leute in erster Linie Muslim. Nach den Attentaten ist die Islamophobie in Frankreich stark gewachsen. Viele LGBT- und Menschenrechtsorganisationen beendeten die Zusammenarbeit mit uns."

Angst um sein Leben hatte er, als im Jahr 2012 seine Adresse und seine Telefonnummer auf einer salafistischen Internetseite auftauchten. Vier Jahre später lebt er noch – und kennt mittlerweile weltweit rund zehn weitere offen schwule Imame. (Michael Möseneder, 7.8.2016)