Es ist ein Sonntagnachmittag, über Washington D.C. hängen Gewitterwolken, die der schwülen Hitze keinen Abbruch tun werden. In einer kleinen Wohnung in Georgetown findet sich eine Runde von Freiwilligen zusammen, um in den nächsten Stunden zu telefonieren. Das Ziel: möglichst viele Wähler im Swing State Virginia erreichen, nach ihrer Unterstützung für Hillary Clinton, Tim Kaine sowie für die Demokraten im Repräsentantenhaus fragen und sie daran erinnern, auch zur Wahl zu gehen.

Abarbeiten der Kontaktdatenbank. Für Clinton.
Foto: Teresa Eder

Alle Teilnehmer sitzen mit Handys, Kopfhörern und Laptops ausgerüstet in einer Ecke, auf dem Boden, auf dem Wohnzimmertisch, wo immer es noch Platz gibt. Linnea, die ihre Wohnung zur Verfügung gestellt hat, gibt letzte Anweisungen aus: nach welchem Skript gesprochen werden soll, welche Informationen erfragt werden müssen und wo heute die Prioritäten liegen. 200 Menschen, deren Kontaktdaten in der Datenbank der Demokraten aufscheinen, sollen in den nächsten zwei Stunden kontaktiert werden. Dann geht es los, die ersten Wähler werden angerufen. Acht Menschen im Raum sprechen gleichzeitig. Der Lärmpegel schwillt an und ab; so stellt man sich die Atmosphäre in einem Callcenter vor.

"Phonebanking" will gelernt sein

Auch ich werde von Linnea nach kurzem Zögern eingewiesen in die Kunst des "Phonebankings". Als Ausländerin darf ich zwar nichts spenden, sich aber im Wahlkampf engagieren, das geht hier immer. Nach den ersten paar Anrufen merke ich: Dass jemand abhebt, ist die Ausnahme, das Hinterlassen einer Mailboxnachricht, auf die vermutlich nicht reagiert wird, der Normalfall. Ben, der sich heute auch zum ersten Mal engagiert, meint: "Das alles erinnert mich irgendwie zu sehr an die Dating-App Tinder. Dort antwortet auch niemand." Drew ist nach einigen Nachmittagen am Telefon abgeklärt: "Wenn zehn bis zwanzig Prozent abheben, kann man das eigentlich schon als Erfolg bezeichnen. Es gibt immer einen Multiplikatoreffekt."

Der Lärmpegel in der kleinen Privatwohnung ist hoch.
Foto: Teresa Eder

Obwohl es vorwiegend Sympathisanten der Demokraten oder Unentschlossene sind, die kontaktiert werden, bekommt man hin und wieder auch Republikaner ans Telefon, die mit ihrer Meinung zur "korrupten Lügnerin" Hillary nicht hinter dem Berg halten. "Heute hatte ich es gleich zu Beginn mit jemandem zu tun, der meinte: Keine Chance, ich bin für Trump – all the way," erzählt Jihane. Das erklärte Ziel ist es denn auch nicht, die Menschen am anderen Ende der Leitung von Hillary Clinton zu überzeugen, sondern herauszufinden, wer zu den Unterstützern zählt und sich dazu bereiterklären würde, im Wahlkampf mitzuhelfen. Im Vorwahlkampf ging es hauptsächlich darum, die Wähler überhaupt davon zu überzeugen, die Stimme abzugeben. Jetzt ist es vor allem wichtig, Informationen zur Wählerregistrierung, die in jedem Bundesstaat anders funktioniert, zu verbreiten.

Freiwilligenkultur in den USA

Dafür ein paar Nachmittage im Monat aufzuopfern, ist für Linnea, Jihane, Ben und Drew keine große Sache. Die Studenten sind nicht Parteimitglieder, ihnen ist es aber ein Anliegen, Clinton auch mit Taten zu unterstützen, um Trump zu verhindern. Sie sind damit keineswegs die Ausnahme. Die Freiwilligenkultur ist in den USA stark ausgeprägt – selbst in der Politik. Demokraten und Republikaner bauen auf Grassroots-Bewegungen, ohne die in einem großen Land wie den USA die Wählermobilisierung gar nicht möglich wäre. Und so verwundert es mich dann auch nicht, dass die Telefonate von jenen, die abheben, nicht abgewürgt werden. Im Gegenteil: Nach kurzer Zeit habe ich einige Wählerinnen und Wähler aus Virginia davon überzeugt, es mir an den nächsten Nachmittagen gleichzutun, um entweder Rundrufe zu tätigen oder bei der Wählerregistrierung auszuhelfen. (Teresa Eder aus Georgetown, 10.8.2016)