Sportliche Großevents seien nicht darauf ausgelegt, die Zuschauer zu motivieren, meint Sportpsychologe Andreas Kollar.

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Faul am Sofa sitzen, Chips essen, Bier trinken und anderen bei sportlichen Höchstleistungen zuschauen: Das verbinden wohl die meisten mit sportlichen Großveranstaltungen wie der Fußball-EM oder den Olympischen Spielen. Es wäre doch schön, wenn man auch gesundheitlich vor der vom Fernseher verbrachten Zeit profitiert – etwa, indem man durch das passive Sportschauen selbst zum aktiven Sporteln animiert wird.

"Es wird Jahr für Jahr demonstriert, dass das nicht funktioniert", sagt der Sportpsychologe Andreas Kollar. "Denn es ist ziemlich schwierig, sportlich inaktive Menschen zu Bewegung zu motivieren." Sportliche Großevents seien vorrangig darauf ausgelegt, die Einschaltquoten und Werbeeinnahmen zu steigern – und weniger darauf, Hobbysportler zuhause zu animieren. Das zeige sich auch an den Sportarten, die im Fernsehen letztendlich gezeigt werden.

Sportsendungen werden auch im Fitnessstudio verfolgt: "Viele Menschen, die bei uns trainieren, schauen während ihres Ausdauertrainings olympische Bewerbe, um sich damit zu pushen", sagt Christian Zöbl von John Harris. Auch die makellos trainierten Körper der Olympia-Sportler gehen an den Menschen nicht spurlos vorbei: "Das führt dazu, dass man den eigenen Zustand des Körpers mehr hinterfragt und motiviert ist, mehr für die Körper und Gesundheit zu tun."

"Motivation ist nicht das richtige Wort", meint Maximilian Urak, Headcoach bei der Crosszone in Wien. Die athletischen Körper seien eher eine Inspiration. Außerdem würde durch die Olympischen Spiele die Aufmerksamkeit der Menschen auf Sportarten abseits des klassischen Fitness-Center-Angebots gelenkt, beispielsweise auf Rudern. Zöbl bemerkt eine besonders hohe Nachfrage am Schwimmsport bei John Harris und führt das auf die Übertragung der olympischen Schwimmbewerbe zurück.

Kaum Studien

Fakten zu dem Thema sind rar: Die Zunahme an Sport-Events hätte auf das sportliche Aktiv-Sein der Menschen keinen Einfluss, hieß es 2004 in einer Kurzstudie des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung der Ludwig Boltzmann Gesellschaft dazu. Zu einem ähnlichen Schluss kam 2014 auch eine britische Studie. Stattdessen zeigte sie einen Zusammenhang zwischen täglichem Sportschauen und Übergewicht.

In einer 2013 an der University of Western Sydney durchgeführte Studie konnte aber beobachtet werden, dass bei Probanden, die ein Video aus der Perspektive einer laufenden Person schauten, Herzfrequenz, Atmung, Durchblutung der Haut und die Sympathikus-Aktivität im Muskel anstiegen – ganz so, als ob sie selbst körperlich aktiv wären. Am Ende des "Laufes" gingen die Werte wieder in den Normalzustand zurück. Den Sport selbst kann das Sportschauen aber nicht ersetzen, betonten die Forscher damals rasch.

Kollar glaubt, dass Fernsehen Menschen schon zu mehr Bewegung animieren könnte, etwa, wenn Identifikationsfiguren wie seinerzeit Thomas Muster neue Impulse setzen und Hobbysportler wieder vermehrt auf den Tennisplatz bringen. Aktuell sei auch Dominc Thiem eine solche Identifikationsfigur.

Und dass der österreichische Basketballspieler Jakob Pöltl seit kurzem bei den Toronto Raptors spielt, bringt auch dem Basketballsport vermehrtes Interesse, glaubt Kollar: "Bei Jugendlichen könnte das durchaus einen Boom auslösen."

Sport nicht im Vordergrund

Es gilt aber: Couchpotatoes wird man eher nicht damit erreichen. Die Gründe dafür sind vielschichtig und liegen auch darin, dass Sport für manche kein positives Image hat: Dazu würden auch Doping-Skandale rund um die heurigen Olympischen Spiele beitragen: "Wenn man eine Sportart als Gesundheitssport verkaufen will, dann ist das nicht die beste Werbung", so Kollar.

Die Gründe für eine Abneigung liegen aber auch in der individuellen Geschichte: "Die meisten Menschen haben im Zuge ihrer Sozialisation Erfahrungen mit Sport gemacht – oft in der Schule. Das ist nicht immer gut gelaufen", sagt Kollar.

Wer Sport aus Gesundheitsgründen macht, müsse daher zuerst einmal mehr Bewegung im Alltag integrieren – und den Sport, an dem manche Betroffene schon so oft gescheitert sind, in einer Therapie nicht in den Vordergrund zu stellen. Irgendwann würden sie so im Ideallfall von sich aus zum Sport finden, so Kollar – auch wenn es sich dabei meist um keine olympischen Disziplinen handelt: "Klienten erzählen mir dann beiläufig: Ich habe letzte Woche mit Yoga angefangen." (Franziskla Zoidl, 15.8.2016)